Jedes Jahr müssen japanische Touristen nach ihrem Parisbesuch in psychiatrische Behandlung: Ihre romantisch verklärten Vorstellungen von der Stadt der Liebe erweisen sich schnell als Trugbild. Denn: Als Ausländer fühlt man sich oft unwillkommen. Höflichkeit und gutes Benehmen erscheinen größtenteils für Landesgenossen reserviert. Ich lernte Paris während eines zweimonatigen Praktikums am Krankenhaus Salpêtrière kennen. Irgendwann gewöhnte ich mich an die Distanziertheit der Franzosen, an den Hundemist auf den Gehwegen und an die Unhöflichkeit der Verkäufer, die sich oft als Meister der Ignoranz erwiesen. Paris, so stellte der französische Schriftsteller Jean Cocteau fest, besteht aus vielen kleinen Dörfern. Jedes reicht bis zum nächsten Supermarkt, dem Bistro um die Ecke, der Bäckerei, dem Kino und der nächsten Metrostation, die man zu Fuß erreichen kann – damit hat er Recht. Zu den schillerndsten der 20 Arrondissements, in die Paris unterteilt ist, gehören Montmartre, wo sich Musiker vor der Sacré Coeur Duelle liefern, und Le Marais, wo sich die Schwulenszene trifft.
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‘Marais’ heißt übersetzt Sumpf – und versacken kann man dort wirklich schnell. Ich erhielt ein Stipendium des Deutsch- Französischen Jugendwerks, das es mir ermöglichte, neben meinem Praktikum die Sprachschule ‘Eurocentres’ zu besuchen. Studis unterschiedlichster Nationalitäten frischen hier ihre Französischkenntnisse auf und erkunden gemeinsam die Stadt. Das ‘Eurocentres’ befindet sich nahe der Sorbonne im Studentenviertel Quartier Latin. Hier lassen sich viele Buchläden, Clubs, Restaurants und Cafés entdecken. Auch das Literatenviertel Saint-Germain-des-Prés mit den berühmten Cafés ‘Les Deux Magots’ und ‘Café de Flore’ ist nicht weit entfernt. Unweit davon treffen sich die Studenten der benachbarten Universitäten im ‘Jardin du Luxembourg’. Lange bleibt man dort nicht allein, auch wenn man sich noch so sehr in sein Buch vertieft...
Was man gut gebrauchen kann, ist die ‘Carte Orange’, eine Monats- bzw. Wochenkarte für die U-Bahn. Damit gelangte ich überall hin, es sei denn, es wurde gerade mal wieder gestreikt. Da ist es von Vorteil, dass Paris relativ klein ist und somit auch gut zu Fuß erkundbar. Empfehlenswert ist ein Spaziergang entlang der Seine nach Einbruch der Dunkelheit, die wunderschöne Stadtkulisse wirkt dann noch bezaubernder. Auf der Pont des Arts treffen sich nach Sonnenuntergang Musiker und Studenten, um bis weit nach Mitternacht zu plaudern, zu musizieren, Wein zu trinken und manchmal sogar zu tanzen. Ein Highlight ist das Diskoboot auf der Seine: Für wenig Geld genießt man eine Stadtrundfahrt der besonderen Art und kann sich gleichzeitig an der Open Bar bedienen lassen – und unter Deck das Tanzbein schwingen. Kultur gibt’s hier natürlich satt: Besonders beeindruckt war ich vom ‘Palais de Tokyo’, ein Museum für moderne Kunst, das bis Mitternacht geöffnet hat. Am ersten Sonntag im Mo - nat kann man alle Museen kostenlos besuchen – allerdings muss man dann ein wenig Wartezeit mitbringen. Was sich auch lohnt, ist ein Besuch auf den Friedhöfen ‘Père Lachaise’ und ‘Montparnasse’, wo viele bekannte Persönlichkeiten begraben liegen: Jim Morrison, Edith Piaf, Frédéric Chopin, Simone de Beauvoir und Jean- Paul Sartre… Während meines Praktikums am Institut für Emotionsforschung des Salpêtrière Krankenhauses wurde mir ein eigenes Projekt mit an Autismus erkrankten Kindern übertragen.
Mein Fazit: Absolut empfehlenswert!
So kam es, dass ich binnen kurzer Zeit zu einer Expertin für Imitationsskalen wurde. Ich habe viel gelernt und brachte meinen Kollegen im Labor auch etwas bei: Sie können jetzt perfekt auf Deutsch fluchen. Meine Mittagspause verbrachte ich oft im botanischen Garten, gleich neben dem Krankenhaus. Ich gebe zu: Am Anfang gab es Momente, in denen ich meine Koffer am liebsten gleich wieder gepackt hätte. An meinem letzten Tag in Paris zog es mich noch einmal zu der Fontaine Strawinsky mit den bunten Figuren von Niki de Saint Phalle am Centre Pompidou. Als ich auf der Aussichts - plattform stand, merkte ich, dass mir der Abschied schwerer fallen würde als vermutet. Die Stadt und sogar ihre Bewohner waren mir irgendwie ans Herz gewachsen.
Text & Bild: Christiane Bach