Mit dem Stoff bin ich noch nicht ganz ›durch‹. Ich habe immer noch nicht alles ›geschafft‹. Vielleicht hast auch du häufig den Eindruck, dass die Stoffmenge zu umfangreich ist, als dass sie im jeweiligen zeitlichen Rahmen sinnvoll zu lernen wäre. Oft weißt du dann gar nicht, wo du überhaupt anfangen sollst, und bevor man noch damit beginnen kann, sich zu überlegen, was unbedingt alles gelernt werden muss, sitzt du auch schon vor einem Berg Zettel, Bücher oder Webseiten, auf denen diverse Ansichten, Beispiele oder wissenswerte Informationen zu finden sind, die ›unbedingt‹ notwendig sind.
Prüfungsinhalte auswählen
Viele Studierende tappen in die sogenannte Vollständigkeitsfalle. Da sie nicht so genau wissen, was denn wichtig beziehungsweise weniger wichtig ist, beschäftigen sie sich eben mit ›allem‹, mit dem ›ganzen Stoff‹. Dieses auf weitgehende Vollständigkeit angelegte Lernen ist wohl auch eine Art ›Sicherheitsstrategie‹. Wenn ich nicht genau weiß, was denn in der Prüfung dran kommt, muss ich eben (fast) alles lernen. Doch bedenke: ›Alles ist wichtig‹ gilt vielleicht beim Sicherheitscheck eines Flugzeugs, aber selten nur beim Lernen.
Das wirklich ›Wichtige‹ und die Zusatzinformationen kannst du mit Hilfe der ›Siebe der Reduktion‹ unterscheiden. Du könntest dich beispielsweise bei einer insgesamt zweitägigen Vorbereitungszeit hypothetisch fragen:
Grobes Sieb (R1): Welche Prüfungsinhalte würde ich nehmen, wenn mir für das Lernen nur 60 Minuten zur Verfügung stünden?
Mittleres Sieb (R2): Was würde ich lernen, wenn ich fünf Stunden Zeit hätte?
Feines Sieb (R3): Womit beschäftige ich mich, wenn ich die kompletten zwei Tage für die Prüfungsvorbereitung habe?
Prüfungsinhalte (gut abrufbar) aufbereiten
Wenn du dich für eine Prüfung gut vorbereiten willst, besteht eine Herausforderung darin, den Prüfungsstoff in eine gut erinnerbare und vor allem gut abrufbare Form zu bringen. Dies gilt insbesondere dann, wenn du es mit besonders großen Stoffmengen zu tun hast. Gut abrufbar bedeutet in diesem Fall, den Stoff so aufzubereiten und zu organisieren, dass du dir nicht alle Einzelheiten separat merken musst, sondern die Inhalte über Schlüsselbegriffe, Organisationshilfen und ›verdichtete‹ Konzepte schnell verfügbar hast. Abrufhilfen machen das Lernen im besten Fall effektiver, als wenn du dir viele Details einzeln merken musst. Derartige Abrufhilfen gibt es in verschiedenen Ausprägungen:
Strukturen: Hier geht es insbesondere darum, die Inhalte nach ihrer Bedeutung zu organisieren. Je nach Inhalt bereitest du den Stoff hierarchisch (Beispiel: Zählregeln beim Tennis), kategorial (Beispiel: Klassen von Säugetieren) oder prozessual (Beispiel: Phasen des Projektmanagements) auf.
Situationen: Die Inhalte werden in diesem Fall ebenfalls nach ihrer Bedeutung organisiert, allerdings nicht in einer fachsystematischen, sondern in einer handlungspraktischen Ordnung. Beispiele: Typische Situationen in der morgendlichen Pflege (Pflegewissenschaft), typische Situationen in der Mitarbeiterführung (Human Resources Management), typische Fälle im Zivilprozessrecht (Jura).
Bilder, Geschichten, Metaphern, Analogien: Diese analogen Abrufhilfen verdichten die Inhalte teilweise über ihre Bedeutung, teilweise über gut merkbare Konstrukte, die nicht immer direkt mit den Prüfungsinhalt zu tun haben. Beispiele: die Geschichte von den 18 Kamelen als Merkhilfe für den Katalysator (Chemie), der Bastler als Metapher für die Evolution (Biologie), der Wasserkreislauf als Analogie für den elektrischen Strom (Physik).
Prüfungsinhalte ›breittreten‹ und wiederholen
In der wissenschaftlichen Literatur findest du den Terminus ›Elaborieren‹, wenn es darum geht, das Prüfungswissen in einer bestimmten Weise ›weiterzuverarbeiten‹. Leichter verständlich ist aber die Metapher vom ›Wissen breittreten‹. Diese ›Weiterverarbeitung‹ kann auf vielfältige Weise geschehen, etwa indem du das neu erworbene Wissen mit deinem Vorwissen verknüpfst, es mit eigenen Worten zusammenfasst, Sachverhalte hinterfragst, Strukturen aufzeigst und das Wissen in praxisnahen Situationen anwendest. Es kann auch bedeuten, dass du neue Begriffe, Aussagen oder Konzepte anhand von Beispielen verdeutlichst oder sie mit Hilfe von Analogien und Metaphern veranschaulichst. Nicht zuletzt kannst du auch Beziehungen zwischen verschiedenen Wissensbereichen aufzeigen und reflektieren. Insgesamt gilt: Je höher der Elaborationsgrad des erworbenen Prüfungswissens ist, das heißt je vielfältiger das Wissen ausgearbeitet und vernetzt ist, desto leichter kannst du auf die entsprechenden Inhalte zugreifen und diese abrufen.
Wenn du einen bestimmten Prüfungsstoff so lernen möchtest, dass er in Prüfungssituationen gut abrufbar ist, wirst du nicht umhin kommen, diesen Stoff auch zu wiederholen. Lernen durch Wiederholung ist in der Regel kein passives Repetieren, sondern durchaus ein intensiver Prozess, bei dem das ›Wieder-holen‹ ein aktiver Lernschritt ist. Wiederholen kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Prinzipiell gilt auch hier, dass dir unterschiedliche Varianten des Wiederholens zur Verfügung stehen. Im Unterschied zum ›Breittreten‹ des Prüfungsstoffes, dem Elaborieren, ist es hier aber nicht ›an sich‹ sinnvoll, diese Vielfalt auch uneingeschränkt zu nutzen. In manchen Fällen mag es eher angeraten sein, dass du eine bestimmte Form des Wiederholens, zum Beispiel das ›Aufsagen‹, so lange praktizierst, bis du den gesamten Stoff mehrfach bearbeitet hast. Auf diese Weise lässt sich eine gewisse Intensität der Wiederholung sicherstellen. Danach kannst du dann andere Formen des Wiederholens einbeziehen.