Mit der Abschlussarbeit punkten ... das funktioniert besonders dann gut, wenn Studierende ihre Bachelor- oder Masterthesis in einem Unternehmen schreiben. Denn so knüpfen sie nicht nur Kontakte zur Berufswelt, sondern verbinden auf ideale Weise Theorie und Praxis. Das macht sie für Arbeitgeber zu interessanten Bewerbern. »Eine in einem Unternehmen angesiedelte Bachelor- oder Masterarbeit ist ein wunderbarer Nachweis, dass der Verfasser bereits Praxisluft geschnuppert hat«, betont Buchautor und Bewerbungsexperte Jürgen Hesse. »Viele Praktiker unterstellen frischgebackenen Akademikern, dass sie sich zwar im Elfenbeinturm der Wissenschaft auskennen, aber für die konkreten Aufgaben der Wirtschaft nicht ausgebildet wurden. Eine praxisrelevante Thesis dagegen unterstreicht, dass ihr Autor verwendungsfähig ist.« So eine Abschlussarbeit werde bei vielen Unternehmen sogar noch höher bewertet als ein Praktikum.
Masterthesis bei Daimler
Die 26-jährige Julia Frey hat sich entschieden, ihre Masterarbeit bei der Daimler AG zu schreiben. »Ich bin zurzeit jeden Tag im Unternehmen und beschaffe mir alle Informationen, die für meine Masterthesis relevant sind«, berichtet Julia, die an der Hochschule Offenburg Wirtschaftsingenieurwesen studiert. So nimmt sie an Meetings ihrer Abteilung teil, führt aber auch mehrere Einzelgespräche am Tag. Außerdem kann sie jederzeit ihren Betreuer ansprechen. »Das Team von Daimler unterstützt mich, wo immer ich Hilfe brauche.« Julia bekommt viel positives Feedback von ihrer Abteilung. »Immer wieder höre ich, wie viel Spaß es macht, mit mir zu arbeiten. Das freut und motiviert mich natürlich.«
Den Kontakt zu Daimler hat die Studentin nicht erst im Vorfeld ihrer Masterarbeit geknüpft, sondern schon im Rahmen ihres Bachelorstudiums. Damals absolvierte sie ein Praxissemester bei einer Tochtergesellschaft von Daimler. »Anschließend hat mich mein Betreuer für das ›Daimler Student Partnership‹-Programm empfohlen«, erklärt die Studentin. Dieses Förderprogramm bietet neben Trainings und der Betreuung durch Mentoren auch die Möglichkeit an, praktische Erfahrungen zu sammeln. So machte Julia im Rahmen dieses Programms noch ein weiteres Praktikum und verfasste bei Daimler ihre Bachelorthesis.
Für eine Abschlussarbeit bewerben: Netzwerke des Professors nutzen
Wer wie Julia Frey seine Arbeit in der Wirtschaft schreiben will, kann mit Unternehmen auf verschiedenen Wegen in Kontakt treten. »Viele nutzen die Arbeitsbeziehung aus einem früheren Praktikum, andere schauen sich die Firmenwebsites an oder eine speziell von uns eingerichtete Onlinebörse für Abschlussarbeiten«, berichtet Corinna Hucke vom CareerCenter der Universität Hohenheim. »Wieder andere Studierende nutzen das eigene Netzwerk oder das des Professors, um ein Unternehmen zu finden.« Die Daimler AG schreibt zum Beispiel Bachelor- und Master-Themen auf ihrer Karriereseite im Internet aus. »Wer dafür infrage kommt, entscheidet der jeweilige Fachbereich. Dieser führt auch die Interviews mit den Kandidaten«, berichtet Kathrin Rödder vom Personalbereich der Daimler AG. Studierende können ihre Abschlussarbeiten zudem im Anschluss an Praktika, Werkstudententätigkeiten oder im Rahmen des ›Daimler Student Partnership‹-Programms verfassen. Bei Daimler ist auch eine Vergütung vorgesehen. »Für die BA-Thesis erhalten Studierende 800 Euro, für die MA-Thesis 900 Euro im Monat«, erklärt Rödder. Hat jemand zuvor ein Praktikum absolviert, erhält er einen Stundenlohn von 8,50 Euro. »Studierende, die ihre Abschlussarbeit bei uns verfassen, haben bei der Bewerbung auf eine feste Stelle bei Daimler den Vorteil, dass wir uns bereits über einen längeren Zeitraum ein Bild von ihnen und ihrer Arbeitsweise machen konnten. Andersherum kennen sie auch schon den Konzern, die Abläufe und unsere Arbeitskultur«, so Rödder. »Da in unserem großen Unternehmen im Laufe eines Jahres immer wieder Vakanzen entstehen, gibt es durchaus Übernahmechancen.«
Praktikum: Beste Voraussetzung für die Abschlussarbeit im Betrieb
Auch das mittelständische Hamburger Unternehmen Jungheinrich AG schreibt Abschlussarbeiten öffentlich aus, auf die sich Studierende mit den üblichen Unterlagen bewerben können. Die Hamburger Firma bietet ihren Kunden ein umfassendes Produktprogramm an Staplern, Logistiksystemen, Dienstleistungen und Beratung an. »Gute 70 Prozent der Abschlussarbeiten ergeben sich aber aus einem Praktikum heraus«, berichtet Sebastian Müller, verantwortlich für die Nachwuchsprogramme bei der Jungheinrich AG. »In der Regel erarbeiten sich Studierende das Thema der Thesis im Rahmen des Praktikums.« Auch bei Jungheinrich erhalten die Studierenden eine Vergütung, die sich am Mindestlohn orientiert und zwischen 700 und 1.200 Euro liegt.
Abschlussarbeit bei Microsoft: Erfahrung als Werkstudent oder Praktikant ist Pflicht
Microsoft Deutschland schreibt dagegen keine Abschlussarbeiten aus. Nur wenn vorher ein Praktikum absolviert wurde oder eine Werkstudententätigkeit vorausging, besteht die Möglichkeit, eine Thesis im Unternehmen zu verfassen. »Thema der Arbeit, Zeitraum und weitere Rahmenbedingungen klärt der Studierende individuell mit seinen Betreuern bei Microsoft ab«, erklärt Esther Löb, Recruiting Leiterin bei Microsoft Deutschland. Auch bei dem IT-Unternehmen gehen die Studierenden nicht leer aus: Sie bekommen ebenfalls eine marktübliche Vergütung. Wer bei Microsoft ein Praktikum machen will, sollte mindestens im dritten Semester des Bachelorstudiums sein oder sich bereits im Masterstudium befinden. Die Studienrichtung ist nicht entscheidend. »Wir sind offen für ITler, Wirtschaftswissenschaftler oder technikaffine Geisteswissenschaftler. Besonders interessant sind für uns auch Bewerber, die ihre interkulturellen Kompetenzen bereits unter Beweis stellen konnten, beispielsweise durch ein Auslandssemester.«
Exposé der Abschlussarbeit wichtig
Ist ein Unternehmen erst einmal gefunden, empfiehlt Corinna Hucke, Thema und Ziel der Arbeit möglichst genau mit dem zuständigen Professor sowie mit dem Betreuer im Unternehmen abzusprechen: »Damit es keine unterschiedlichen Erwartungen gibt, ist zum Beispiel ein detailliertes Exposé hilfreich.« Grundsätzlich gelte: Je klarer der Auftrag und die Vorgaben sind, desto leichter wird die Umsetzung des Projektes. »Am besten planen Studierende für Bewerbung und Absprachen einen Vorlauf von einem Semester ein.« Jürgen Hesse empfiehlt Studierenden aller Fachrichtungen, eine praxisrelevante Abschlussarbeit zu verfassen. Besonders legt er das künftigen Geistes- und Kulturwissenschaftlern ans Herz. »Ein Student der vergleichenden Literaturwissenschaft könnte zum Beispiel seine Masterthesis in einem Verlag schreiben. So hat er bei Bewerbungen ein Trumpf im Ärmel.« Gerade für künftige Geisteswissenschaftler kämen Kultureinrichtungen als betreuende Institutionen infrage. Karriere-Experte Hesse ist sich ganz sicher: »Klappt es nicht mit der Anstellung bei dem Unternehmen, in der Studierende seine Arbeit geschrieben hat, ist das überhaupt kein Problem. Auch andere Firmen schätzen praxisrelevante Arbeiten, besonders dann, wenn der Bewerber ein Empfehlungsschreiben seines Betreuers beilegt.«