Warum haben Sie sich für einen Auslandsaufenthalt in Istanbul entschieden?
Ich wollte mich der spannenden, herausfordernden Aufgabe stellen, in einer fremden Kultur ein innovatives Projekt umzusetzen, bei dem darum geht, verschiedene Interessen von unterschiedlichen Parteien innerhalb und außerhalb des Konzern zu vereinbaren. Zudem bietet mir der Auslandsaufenthalt die Möglichkeit, die Arbeitswelt in einer fremden Kultur kennenzulernen. Durch das Erleben des Alltags kommt man einer fremden Kultur sehr viel näher als durch das alleinige Besuchen oder Studieren.
Was ist das Spannendste an Ihrem Auslandsaufenthalt?
Anfangs war es manchmal schwierig, aufgrund der vorhandenen Sprachbarrieren mit Kunden zu kommunizieren und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Istanbulspezifisch war es wohl das Zusammenleben von zwei unterschiedlichen Kulturwelten und der Einblick und die Erkenntnis in die islamische Welt.
Bitte beschreiben Sie kurz Ihre täglichen Aufgaben?
Das Projekt, in dem ich arbeite, versucht den innerstädtischen Verkehr zu optimieren. Dabei geht es um verschiedenen Aspekte wie beispielsweise die Konsolidierung von Lieferungen in den innerstädtischen Bereich zur Verkehrsreduzierung, die Optimierung der Routenplanung durch ‚smart scheduling’ und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Letzteres betrifft zum einen die Verkehrsreduzierung und zum anderen den potenziellen Einsatz von effizienteren Fahrzeugen. Das heißt, mit den Business Units vor Ort zusammenzusitzen und mögliche Lösungen für potenzielle Kundengruppen zu erarbeiten, um diese den Kunden vorzustellen. Gleichzeitig haben wir versucht, Kooperationspartner zu finden, um neue Lösungen für effizienten innerstädtischen Verkehr zu erarbeiten. Außerdem arbeiten wir hier auch mit der lokalen Regierung zusammen, um mögliche Lösungen für die Implementierung der Vorschläge vor Ort abstimmen zu können.
Mit welchen Problemen sind Sie konfrontiert?
Generell mit weniger als zuvor angenommen. Da das Unternehmen einen sehr großen Teil der Organisation übernimmt, kommt es kaum zu großen Problemen, die bewältigt werden müssen. Anders habe ich das bei meinem selbstorganisierten Auslandsaufenthalt während des Studiums erfahren müssen. Das Hauptproblem was mir in meiner Zeit in Istanbul begegnet, ist die Kultur in der Arbeitswelt. Generell ist Istanbul eine Weltstadt, dennoch kann man häufig im türkischen Management, selbst eines globalen Unternehmens, deutlich kulturelle Hierarchielinien erkennen. Die Menschen sind alle sehr offen und nett, wenn man allerdings in einem Projekt vorankommen will, muss man es schaffen freundlich zu bleiben, was häufig zu mehreren Tee-Verabredungen und Abendessen auf Türkisch führt, bevor man endlich zu einer Entscheidung und dem nächsten Schritt innerhalb des Projektes kommen kann. Ein weiteres, wenn auch lustiges, Problem ist das Halb-Verstehen der Sprache, was mich des häufigeren dazu führt, aufgeregte Telefonate mit meinen türkischen Freunden zu führen, während ich im Taxi saß und verzweifelt versucht habe, dem Fahrer zu erklären, dass ich einen vollkommen anderen Ort meine als er. Meistens muss ich dann einen türkischen Freund anrufen und dem Taxifahrer das Handy ans Ohr halten, damit ich doch noch dort hinkomme, wo ich auch hinwollte.
Was haben Sie bislang am meisten genossen?
Ich finde es toll, in einer vollkommen fremden Kultur als Familienmitglied aufgenommen zu werden und einen unglaublich starken Rückhalt zu erfahren.
Inwieweit ist es karriereförderlich, eine Zeit lang an einem ausländischen Standort des Unternehmens zu arbeiten?
Der Auslandsaufenthalt bietet einem die perfekte Möglichkeit vor Ort die Implementierung von Projekten hautnah mitzuerleben. Dadurch wird nicht nur die Verständigung zwischen dem Entsendeten und dem Aufenthaltsland gefördert, sondern auch das Verständnis für Probleme und lokale Gegebenheiten, die man ohne diese Erfahrungswert nicht berücksichtigen würde. Es ist auch ein bisschen wie hinter die Kulissen schauen: Was man in einem Land angefangen hat, versucht man, in ein anderes Land zu integrieren und stellt dadurch erst die wirklichen Vor- und Nachteile fest.
Inwieweit haben Sie durch den Auslandsaufenthalt etwas für Ihre Stelle in der Heimat lernen können?
Die Erfahrungen, die man im Ausland sammelt, sind immer hilfreich für den weiteren Lebensweg. Inhaltlich habe ich vor allem gelernt, unterschiedliche Perspektiven und Blickwinkel bei der Erstellung eines Projektes zu berücksichtigen. Aber viel wichtiger ist der persönliche Mehrwert, einen externen Blickwinkel auf das eigene Land zu bekommen und den internen Blick auf eine, einem bisher fremd scheinende, Welt. Ich zumindest denke, dass mich der Aufenthalt ein ganzes Stück weit näher an die Türken als unsere europäischen Nachbarn herangebracht hat.