›Und was hast du nach dem Abschluss vor?‹ Wenn man nur noch einige Prüfungen oder Seiten der Abschlussarbeit von seinem Hochschulabschluss entfernt ist, drehen sich die Gespräche häufig um das ›Danach‹. Traineeprogramme werden immer wieder als der ideale Berufseinstieg angepriesen, bieten sie doch das von Dieter Bohlen so oft gerühmte Gesamtpaket: Verschiedene Abteilungen kennenlernen, erste Verantwortung übernehmen, ein Mentor, der einem zur Seite steht, und vielleicht auch eine Auslandsstation.
Der Haken für dich dabei ist nur – thematisch spricht dich der Aufgabenbereich in einer Bank oder einer großen Handelskette nicht besonders an. Klar werden Traineeprogramme besonders von großen Unternehmen angeboten. Allerdings gibt es auch interessante Traineestellen bei NGOs, Verbänden oder Behörden, die sich mit gesellschaftlichen oder sozialen Themen beschäftigen und auf die man bei der Stellensuche nicht sofort stößt.
Als Trainee bei der Stadt
Stephan Fischer hat sich für das Traineeprogramm der Stadt Ingolstadt entschieden, da er hierbei die Möglichkeit gesehen hat, aktiv bei der Entwicklung seiner Heimatstadt mitwirken zu können. Fischer hat an der Hochschule Kempten Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Elektrotechnik studiert und arbeitet inzwischen als Projektingenieur für Energieerzeugung in der oberbayerischen Stadt. Auf das Traineeprogramm aufmerksam wurde er in der regionalen Tageszeitung, besonders angesprochen hat ihn, dass es nicht nur auf Wirtschaftswissenschaftler ausgerichtet, sondern grundsätzlich für verschiedene Fachrichtungen offen ist. »Es gab Kollegen mit sozialem, wirtschaftlichem, juristischem oder auch technischem Hintergrund. Gerade diese Vielfalt war ein positiver Aspekt des Traineeprogramms. Da die gedanklichen Grundausrichtungen der Teilnehmer so verschieden waren, konnte jeder von jedem profitieren und über den Tellerrand seines Fachbereichs hinausblicken«, berichtet der 29-Jährige.
Formell hingegen unterscheidet sich das Traineeship kaum von den gängigen Programmen: Es dauert zwei Jahre und alle sechs Monate wird der Arbeitsplatz gewechselt. Passt ein Trainee in einer bestimmten Abteilung jedoch so gut ins Team, dass beide Seiten vollauf zufrieden sind, ist es nicht notwendig, in weitere Bereiche zu wechseln. Auch die Weiterbildung als Bestandteil des Traineeprogramms kommt nicht zu kurz: Zwölf Module begleiten das Programm. Diese finden etwa alle ein bis zwei Monate statt und dauern je nach Inhalt bis zu drei Tagen. So hat auch Fischer verschiedene Bereiche durchlaufen: »Zu Beginn wurde ich in der Netzegesellschaft der Stadtwerke eingesetzt. Dort konnte ich mein Wissen auf dem Gebiet der Fernwärme und der Erzeugung von Kälte durch Fernwärme erweitern. Anschließend wurde ich bei meiner Tätigkeit im Hochbauamt mit der Planung von EDV-Netzwerken in Schulen betraut«, beschreibt Fischer. In seiner dritten Einsatzstelle bei der städtischen Industriefördergesellschaft konnte er viel über Facility Managements lernen. Seine letzte Station ist nun auch zu seiner festen Stelle geworden und er ist bei den Stadtwerken Ingolstadt in der Energie GmbH als Projektingenieur für Energieerzeugung angestellt. »Von regenerativ erzeugtem Strom bis zur konventionell erzeugten Wärme mit Erdgas leite ich Projekte unterschiedlicher Größen«, erklärt der Ingolstädter.
Arbeitgeber IHK: Trainee // Ausbildungsring
Auch der Werdegang von Philipp Andree zeigt, dass das Thema Energie auch für Absolventen nicht-technischer Fächer interessant sein kann. Der 27-Jährige ist Projektreferent im Bereich Umwelt, Energie, Rohstoffe beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern (IHK). Den Absolvent des ›German Turkish Masters Program‹ der Middle East Technical University Ankara und der HU Berlin hat am ›Ausbildungsring‹, wie das Traineeprogramm genannt wird, besonders die Aufgabe gereizt, Interessen branchenübergreifend zu vertreten. »Der DIHK gehört zu den ›Big Four‹ der Wirtschaftsverbände in Berlin. Man arbeitet hier direkt an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik. Die Arbeit in einer IHK wiederum ist geprägt von den Belangen der regionalen Wirtschaft. Zu den Kernaufgaben einer IHK gehören regionale Wirtschaftsförderung, Beratungstätigkeiten und hoheitliche Aufgaben wie die Regelung der beruflichen Ausbildung«, sagt Andree.
Der Ausbildungsring dauert zwölf Monate, in denen die Trainees je nach Interesse und Bedarf für drei Monate in zwei IHKs verschiedener Größen eingesetzt werden. Weitere drei Monate verbringen sie beim DIHK in Berlin oder Brüssel sowie weitere drei Monate in einer Auslandshandelskammer (AHK) oder Delegation der Deutschen Wirtschaft im Ausland. So lernen die Nachwuchskräfte die Organisation in vollem Umfang kennen und haben die Möglichkeit, unterschiedliche Themenfelder zu bearbeiten. Die Trainees können außerdem an sämtlichen Inhouse-Schulungen des DIHK teilnehmen.
Auch nach seinem Traineeprogramm arbeitet Andree weiterhin an seinem Projekt ›Mittelstandsinitiative Energiewende‹. »Das Projekt unterstützt den deutschen Mittelstand bei der Umsetzung der Energiewende«, erklärt er. »Ziel ist es, durch und gemeinsam mit den IHKs weitere Energiesparpotenziale in den Betrieben zu heben und ihre Energieeffizienz zu verbessern. Die ›Mittelstandsinitiative Energiewende‹ bietet den Unternehmen mit Dialog, Informationen und Qualifizierungen konkrete Hilfestellung und vermittelt Ansprechpartner vor Ort«, beschreibt er weiter. Zu Andrees Aufgaben gehört es hierbei unter anderem, Ideen für eine Projektkonzeption zu sammeln, Positionspapiere auszuwerten sowie über politische Abstimmungen mit IHK-Kollegen Rücksprache zu halten. Darüber hinaus nimmt er an Beratungen in Ministerien teil und arbeitet an Newslettern und im Veranstaltungsmanagement mit.
Sollte Philipp Andree es geschafft haben, dich mit seiner Begeisterung anzustecken, hat er noch einige Tipps dazu parat, was dich beim Ausbildungsring des DIHK erwartet und was von dir erwartet wird. »Wichtig ist sicherlich Geschick im Umgang mit unterschiedlichen Interessengruppen und Partnern aus Politik und Wirtschaft, Unternehmen, IHKs und anderen Organisationen. Zudem ist ein offener und kreativer Stil der Zusammenarbeit mit den Kollegen und Vorgesetzten sowie eine selbstständige Arbeitsweise gefragt. Täglich lernt man dabei etwas Neues dazu. Man muss Spur und Schritt halten im teilweise hektischen politischen Betrieb und darf sich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Letztlich geht es darum, ein Gespür für politische Trends, gesellschaftliche Diskurse und wirtschaftliche Herausforderungen zu entwickeln«, sagt er abschließend. Dass sie sich nicht für ein Traineeprogramm in der freien Wirtschaft entschieden haben, scheinen die beiden ehemaligen Trainees jedenfalls nicht zu bereuen.