Sonnenuntergang Lissabon Skyline
Bildquelle: privat

Vorbeirauschende Busse in Lissabon

Chantal über ihr erstes Jahr – Leben und Arbeiten in Portugal

Eigentlich war der Plan immer, nach Australien zu gehen. Klassiker. Nur, wie sicher bei vielen anderen auch, haben meine Rücklagen dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Startkapital, Visum, Flugkosten im tausender Bereich – das war selbst mit gesicherter Unterkunft und Freunden vor Ort schwer zu stemmen. Doch die Enttäuschung hielt nicht lang, denn bei meiner weiteren Suche stellte ich schnell fest: die Australier haben kein Monopol auf Sommer, Sonne und Strand. Türkisfarbene Wellen und malerische Klippen gibt es auch easy im EU-Ausland. So kam ich mit meinem Job bei Teleperformance, einem Dienstleister für Kundenservices großer internationaler Unternehmen, nach Portugal. Das Land, das mein Herz gestohlen hat und so leicht auch nicht wieder hergibt.

 

 

Das erste Mal kein Tourist sein

Gerade noch spontan auf die Stellenanzeige beworben, schon im Flieger gen Süden. Bis dato hatte ich nach meinem Schulabschluss in einer Buchhandlung gearbeitet, jetzt ging es ans Meer für einen Job in der Kundenberatung per Chat und Telefon. Es vergingen etwa anderthalb Monate zwischen dem »Wir wollen dich!« bis zur letzten Umarmung mit Freunden und Familie am Flughafen in Deutschland. Voller Freude, aber auch Nervosität, zog ich also in mein erstes großes Abenteuer. Zum Glück beschränkte sich die Unsicherheit eher auf meine Englischkenntnisse als auf Dinge wie Krankenoder gar Pensionsversicherung. Diese Sorgen wurden schnell beseitigt, zum einen durch die EU, dank des Schengener Abkommens und Visafreiheit, und zum anderen durch die HR-Abteilung, die mich an die Hand nahm und mit mir Dinge wie Steuernummern und Bankkonten klärte. Was neben diesen oragnisatorischen Dingen mindestens genauso nervt: die Wohnungssuche. Auch hier war ich sehr froh, direkt vom Flughafen in ein Apartment meines Arbeitgebers, zentral in Lissabon ziehen zu können.Und dann ging es auch schon los. Ich war zwei Tage vor Beginn meines Arbeitsbeginns angekommen, damit ich die Stadt erkunden und mich ein wenig einleben konnte. Erster Tagesordnungspunkt: den Weg zur Arbeit zu Fuß gehen. Hier kam der erste Kulturschock, denn trotz netten Lächelns rauschte der Busfahrer an meiner Haltestelle vorbei. Doch ein Blick auf die andere Straßenseite und die Locals verriet den Trick: die Hand ausstrecken. Es sind oft eben doch die kleinen Unterschiede zwischen den Ländern, die wichtig sind, um im Alltag durchzukommen. Der nächste Bus hielt und es ging weiter nach Parque das Nações, einem sanierten Hafenviertel am Tejo. Auch das Auffinden des Gebäudes erwies sich als schwieriger als erwartet. Wie üblich gibt es entlang der Uferpromenade viele Theater, Parks und andere Einrichtungen. Der Anblick eines großen Gebäudes mit einer Glasfront, Esstischen und einer großzügigen Terrasse bedeutete für mich nur eines: Restaurant. Zumindest so lange, bis ich immer wieder Touristen begegnete, die dort einen Teller fangfrischen Fisch ergattern wollten, aber vom Sicherheitspersonal abgewiesen wurden, und mir klar wurde, dass mein Ziel bereits direkt vor meiner Nase lag. Inklusive der Kantine, in der ich noch viele Mittagsrunden verbringen würde.

 

Die Angst vor'm Ungewissen

Die Ungewissheit ist der größte Angstfaktor beim Auswandern. Hinzu kamen meine dürftigen Englischkenntnisse. Ich konnte mich schon verständigen – das kennt man ja aus dem Urlaub – aber wirklich so zu leben, das war eine andere Geschichte. Diese Angst hielt an, bis ich unseren Einführungstrainer zum ersten Mal traf. Ein herzensguter, aber vor allem sehr lustiger Mensch, der nebenbei noch Schauspieler ist und das merkte man. Man konnte nicht anders als ihm zuzuhören. Selbst wenn man im Dialog mit ihm mal nicht das richtige Wort parat hatte, gab es immer einen Trainee aus dem gleichen Land, der helfen konntew… oder eben die gute alte Pantomime – und umgekehrt. Auch bei den anderen Neuankömmlingen trafen so viele verschiedene Kulturen aufeinander. Das war allerdings auch keine Hürde, denn alle waren vereint in der Freude, hier zu sein und voller Lust, Freundschaften zu schließen und Neues zu erleben. Am ersten Abend gingen wir zusammen etwas essen und trinken. Danach war immer schon jede Minute verplant. Es gab einfach zu viel zu sehen. Von dem Abklappern der klassischen Sehenswürdigkeiten in Lissabon – von der Kathedrale Sé de Lisboa über das Kneipenviertel Bairro Alto – bis zu späteren Trips an die Algarve. Auch an meinem Geburtstag waren wir dort – leider ohne Delfinsichtungen. Die Algarve kannte ich davor nur von Bildern in den Reiseführern unserer Buchhandlung.

 

In der alten Heimat die neue Heimat vermissen

Ich lernte auch bald meinen damaligen Freund kennen, der in Portugal aufgewachsen ist. Dieser hat mir einige Geheimecken im Norden Portugals gezeigt. Dort sind auch meine Lieblingsorte, mit unberührten Wald-Berg-Gegenden, die in Deutschland unvorstellbar wären. Diese Natur ist für mich immer noch das Faszinierendste und Schönste an Portugal, und ich werde wohl nie müde werden, sie zu erkunden. Als ich zuletzt Deutschland besucht habe, habe ich zwei Dinge gemerkt: Es ist schön, Freunde und Familie wiederzusehen, aber ich habe mein Portugal direkt wieder vermisst. Ich bin noch lang nicht damit fertig, alle Facetten kennenzulernen, alle Leckereinen zu probieren und weiter über mich hinaus zu wachsen.


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