Viele haben wenig, wenige haben viel, alle wollen es und keiner hat genug. Die Rede ist, na klar, von Geld. Es sind bedruckte Scheine aus Papier oder ein paar geprägte Metallstücke, und doch bestimmen sie unser Leben. Das Thema sorgt selbst unter Freunden für Zündstoff und ruft Stolz oder Neid hervor. Gerade unter Studis gilt es als normal ›am Ende des Geldes noch viel Monat vor sich zu haben‹ und es ist viel cooler, wenn man keinen Wert auf Geld legt. Bekommt jemand leuchtende Augen, wenn es um Banknoten und Goldtaler geht, wird er häufig als Kapitalist beschimpft.
Geld: Zum Leben notwendig
Dabei kommt heutzutage keiner mehr um Geld herum. »Keiner könnte von heute auf morgen all die Dinge des täglichen Bedarfs selbst produzieren, die man für das nackte Überleben benötigt«, sagt Klaus Kraemer, Professor für Soziologie an der Uni Graz. »Von den Nahrungsmitteln über Kleidung bis hin zu Wärme und Licht, alles kaufen wir auf Märkten gegen Geld – oder auf Kredit.
Woher kommt eigentlich die Redewendung »Geld stinkt nicht«?
Der Austausch von Gütern funktioniert schon seit sehr vielen Generationen nicht mehr als Ware-Ware-Tausch, sondern nur noch als Ware-Geld-Tausch«, fährt er fort. Dabei hat Geld selbst keine Wertsubstanz und es ist lediglich ein stilles Versprechen, es gegen Waren wieder einlösen zu können.
Geld: Vertrauen und Zwang
Für eine derartige Geldordnung ist Vertrauen elementar. Allerdings müssen die Menschen auch glauben, Geld habe einen eigenen Wert. »Wenn dieser Glaube in Unglauben umschlägt, ist es ums Geld geschehen«, sagt der Soziologe. Geld sei weiterhin nicht nur Vertrauenssache, sondern auch Zwang. Selbst, wenn man um Geld herum kommen wollte, ginge das nicht, denn »für uns alle ist Geld alternativlos«.
Geld funktioniere nur dann, wenn eine staatliche Ordnung eine Währung zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Verkäufer müssen Geld akzeptieren, wenn ein Käufer ein Produkt erwerben möchte.
Geschichte des Geldes: Vom Tauschmittel zum Statussymbol
Tatsächlich hat sich Geld aber auch vom Tauschmittel zum eigenen Statussymbol entwickelt. Der schnöde Mammon steht nicht nur für Macht, sondern auch für Eigenschaften wie Sicherheit, Lebensqualität und Selbstständigkeit. Sogar unseren Selbstwert definieren wir über Geld, zum Beispiel können nicht alle Männer selbstbewusst damit umgehen, wenn ihre Frau mehr verdient als sie. Prof. Kraemer sieht Geld sogar mit akademischen Titeln darum wetteifern, was prestigeträchtiger ist.
»Bei Bildungstiteln zählt, ich unterstelle das jetzt einmal, die ›Leistung‹. Beim Geld kommt es hingegen nur auf den ›Erfolg‹ an. Erfolgreich ist man auf Märkten, wenn man viel Geld ›macht‹, wie es heißt.«
Man kann allerdings auch ein dickes Bankkonto haben, ohne viel geleistet zu haben, etwa wenn man erbt oder im Lotto gewinnt. »Das ist dann buchstäblich ein ›unverdientes‹ Vermögen«, ergänzt Kraemer. Doch das Ergebnis ist das selbe und darauf kommt es schließlich an.
Im Umgang mit Geld macht es sich jedoch häufig bemerkbar, wie jemand zu seinem Wohlstand gekommen ist. Natürlich gibt es keine pauschalen Stereotype, Selfmade-Millionäre haben dennoch die Tendenz, ihr harterarbeitetes Vermögen zu bewahren und geben das Geld nicht mit vollen Händen aus. Kommt jemand schnell – und mit Glück – zu Geld, abschätzend auch ›Neureiche‹ genannt, lassen sich zwei Extreme beobachten. Einige tendieren dazu, zu protzen und ihr Geld zu verschleudern. Andere hingegen entwickeln einen enormen Geiz, weil sie panische Angst davor haben, alles wieder zu verlieren. Dieses Phänomen nannte der amerikanische Psychologe Stephen Goldbart das ›Sudden wealth syndrome‹. Die Betroffenen können unter Depressionen, Paranoia und Schuldgefühlen leiden, was dazu führt, dass sie sich von Freunden und Familie bedrängt fühlen und sich selbst isolieren.
»Das Begehren nach Geld ist grenzenlos.«
Geld kann einsam machen und trotzdem wollen wir immer mehr. »Das Begehren nach Geld ist grenzenlos. Es wird nur durch das Begehren nach noch mehr Geld überboten«, sagt Kraemer. Dies damit zu erklären, dass wir ›Materialisten‹ seien hält er für unzureichend. Vielmehr sieht er dies mit dem Versprechen verbunden, das Geld uns macht: Alle Güter und Dienstleistungen dieser Welt kaufen zu können, die gegenwärtig und sogar zukünftig angeboten werden. Damit ist Geld auch zum reinsten Symbol unserer Gesellschaft geworden. »Geld ist so attraktiv, weil man sich damit Wünsche erfüllen und Ziele verfolgen kann, die mit einem schlichten ökonomischen Kalkül nichts zu tun haben. Geld wird an die eigenen Kinder verschenkt, um ihnen etwas Gutes zu tun. Oder Geld wird ›angelegt‹, um für die eigene Familie vorzusorgen. Diese Beispiele illustrieren: Geld wird für zutiefst moralische Zwecke verwendet«, folgert er.
Vor allem kann man sich mit Geld selbst verwirklichen und sich kleine und größere Lebensträume erfüllen: Sei es das erste Auto, für das man eisern gespart hat, die Weltreise nach dem Abschluss oder den Luxus, im Berufsleben kürzer zu treten, um mehr Zeit für sich und seine Lieben zu haben. »Umso härter trifft es all jene, die kein Geld haben und auch keinen Kredit bekommen. Für die Geldarmen ist der Zugang zu den allermeisten Möglichkeiten, die diese Gesellschaft bietet, zugesperrt. Deswegen ist unsere Gesellschaft auch weiterhin eine Klassengesellschaft. Eine unsichtbare Wand trennt die Geldbesitzer von den Geldlosen«, sagt der Wirtschaftssoziologe.
Geldgier und Einsamkeit
Halten wir kurz fest: Geld macht gierig und einsam. Aber anscheinend machen ein paar Scheinchen in der Tasche das Leben deutlich angenehmer. Auch Marcel Reich-Ranicki sagte einst ›Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn‹.
Zwar trägt Geld zu einem positiven Image bei – wenn man sich nicht gerade aufführt wie die Geißens – doch so zerknittert die Scheine und so kalt die Münzen auch sind, sie sind emotional hoch aufgeladen und bringen häufig auch unsere schlechten Seiten zum Vorschein.
Geld verändert Menschen: Es wirkt sich negativ auf das Verhalten aus
In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde der Einfluss des Geldes auf unser Verhalten untersucht – und fast immer wirkte es sich negativ aus. Fahrer von teuren Autos verhalten sich rücksichtsloser im Straßenverkehr (Studie der University of California); Probanden, die sich mit Geldthemen beschäftigten spendeten weniger großzügig (University of Minnesota) und eine weitere Testgruppe, die sich gedanklich mit monetären Themen auseinandersetzte, empfand die freie Marktwirtschaft und das Sozialsystem der USA als gerechter als die thematisch neutrale Testgruppe (University of Chicago).
Besonders schlecht schneidet der menschliche Charakter allerdings in einer Studie der University of Warwick ab. Psychologen der britischen Uni befragten 12.000 Menschen zu ihrer Zufriedenheit und ihrem Gehalt. Erstaunlicherweise entschied nicht die Höhe des Gehalts über die Lebenszufriedenheit, sondern der Rang im Gehältervergleich zu Kollegen, Nachbarn und Freunden. Ein hohes Gehalt scheint uns nicht glücklich zu machen, wenn wir wissen, dass der Büronachbar mehr verdient. Überholen wir mit einer Gehaltserhöhung Vergleichspersonen, macht uns das glücklicher.
Geld: Privileg zur Bildung
Geld bestimmt oft die Studienwahl. Dass schon Schulabgänger ein hohes Gehalt anstreben, bestätigt Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Iris van Bürck. Die Klienten der Studien- und Berufsberaterin wollen von ihrem Einkommen leben uns sich auch etwas Luxus leisten können. »Je älter die Klienten sind, umso mehr Gewicht wird auf diesen Punkt gelegt«, sagt van Bürck. In ihrer Arbeit hat sie beide Extreme kennengelernt. Kommt jemand zu ihr, der als Ziel angibt, möglichst viel Geld verdienen zu wollen, rät sie ihm seine Leistungsmotivation und Frustrationstoleranz gründlich zu überprüfen. »Wenn ich viel Geld verdienen möchte, sollten diese beiden Fähigkeiten besonders ausgeprägt sein, ebenso wie ein hohes Maß an Flexibilität und Risikobereitschaft«, sagt sie.
Auf der anderen Seite weist sie bei Interesse für geisteswissenschaftliche Studiengänge ausdrücklich darauf hin, dass man mit dieser Wahl in den meisten Fällen nicht reich wird. »Vermutlich denken die Schüler und Studenten nur bis zum Studium, aber nicht daran, welchen Beruf sie danach ausüben möchten und können und wie die Arbeitsmarktchancen sind«, sagt van Bürck, die in Münster Psychologie studiert hat.
Es gibt wichtigere Werte als Geld!
Im Gegensatz dazu steht die vielthematisierte Generation Y, für die Gehalt, Boni und die Aussicht auf ein schickes Büro keine Anreize mehr sind, da sie die Aussicht auf einen Job, der Spaß macht und sinnvoll ist, bevorzugen. Diesen Trend greift auch die Website ›Escape the city‹ auf. Die Plattform spricht Konzernmitarbeiter, Consultants oder Banker an, die ihrer Berufswelt entfliehen wollen und dafür finanzielle Abstriche in Kauf nehmen. Zum einen können sie sich auf dem Portal in ihrer Entscheidung bestärken lassen, zum anderen auch nach Jobs suchen. Ob es ein kreativer Neuanfang in einem Startup sein soll oder eine gemeinnützige Aufgabe in einem kleinen Unternehmen, die Seite bietet Jobs abseits der Konzernwelt.
Ein solcher Lebenswandel setzt allerdings wiederum eins voraus: genügend Ersparnisse, um sich selbst zu verwirklichen und Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance zu legen. Wiederum ein Privileg, das den Vermögenden vorbehalten ist. »All jene«, sagt Professor Kraemer, »sind zu beneiden, die Zeit und Muße – und genug Geld oder einen sicheren Job – haben, um sich über die eigene ›Work-Life-Balance‹ Gedanken zu machen. Bei vielen stellt sich jedoch diese Frage gar nicht«. Er gibt weiterhin zu bedenken, dass finanzielle Fragen stärker in den Mittelpunkt rücken, wenn man älter ist, Kinder hat und ein Haus abbezahlen muss.
Welche Bedeutung Geld im Leben spielt, muss jeder für sich beantworten. Geld ist unsere Lebensgrundlage, es ist aber ratsam, es nicht zum Mittelpunkt werden zu lassen.