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Erster Arbeitstag: So gelingt ein guter Start in der neuen Firma

Die ersten Tage im neuen Job bieten viele Stolpersteine. Horst Hanisch erklärt im Interview, wie sich diese elegant umschiffen lassen

Herr Hanisch, womit kann man sich als Berufseinsteiger gleich am ersten Arbeitstag unbeliebt machen?

Am besten kommt es an, wenn ›der Neue‹ authentisch ist. Natürlich versucht jeder Einsteiger, sich in einem optimierten Bild darzustellen – was oft dazu führt, dass er verklemmt oder nervös wirkt. Ungünstig ist es auch, sich als etwas Besseres oder als Alleskönner zu präsentieren. Wer am ersten Tag das Computersystem kritisiert oder sich über vermeintlich veraltete Abläufe lustig macht, macht sich damit nicht sehr beliebt. Noch schwieriger wird es, wenn der Altersunterschied dazukommt. Viele Bachelorabsolventen steigen relativ jung ein, sind aber unter Umständen plötzlich die Vorgesetzten von langjährigen Mitarbeitern und diese fühlen sich von ›dem Neuen‹ bevormundet. 

Wie kann ein neuer Mitarbeiter diese Herausforderung bestehen?

Das Problem ist, dass viele junge Einsteiger eine gewisse Erfahrung haben sollten, die sie aufgrund ihres Alters gar nicht haben können. Hilfreich wäre in diesem Fall Empathie, die – im Gegensatz zu fachlichen Inhalten – an der Uni nicht vermittelt wird. Soft Skills werden oftmals nur nebenbei trainiert. Dabei lässt sich mit ein wenig Zeit und Geduld im Gespräch viel über Menschen herausfinden, zum Beispiel was sie an ihrer Arbeit stört und was zu verbessern ist. Danach lassen sich weitere Ansatzpunkte bezüglich Optimierung ausrichten.

Eine weitere Stolperfalle ist die Sache mit dem Duzen oder Siezen. Was soll der Neue machen, wenn der Chef und die Kollegen sich duzen, der Chef einem das ›Du‹ aber noch nicht explizit angeboten hat?

In Deutschland ist dies eine sehr komplizierte Sache, denn wer einmal beim Du ist, kommt nicht mehr zum Sie zurück. Sieht die Firmenphilosophie ein ›Du‹ durch alle Hierarchiestufen vor, wird dies auch beispielsweise im Bewerbungsgespräch thematisiert. In diesem Fall wäre es falsch, als einziger die Kollegen zu siezen, denn damit wird eine gewisse Distanz vermittelt, die sich negativ auswirken kann. Wenn der Einsteiger nicht explizit darauf hingewiesen wurde, dass sich alle Kollegen duzen, sollte er sicherheitshalber vorerst beim Sie bleiben und nach ein paar Tagen einen Kollegen fragen, wie dies geregelt wird. 

Viele bringen am ersten Tag Kuchen zum Einstand mit – inwieweit ist dies eine gute Idee?

Am besten ist es, ein paar Tage zu warten, denn in den meisten Fällen kennt der neue Mitarbeiter die Strukturen des Unternehmens noch nicht und weiß nicht, dass eine ungeplante Pause nicht vorgesehen ist. Ein neuer Kollege unterbricht immer den Arbeitsablauf, wenn er vorgestellt oder ins Team integriert wird. Jede weitere Störung bringt die täglichen Prozesse zusätzlich ins Wanken. Deshalb sollte der Neue ein wenig mit seinem Einstand warten und den Kollegen die Möglichkeit geben, zu beobachten und herauszufinden, welch ein Mensch er eigentlich ist.

Was kann ein Trainee machen, wenn er merkt, dass sein Arbeitsalltag nicht mit den beschriebenen Aufgaben im Vertrag übereinstimmt?

Offensichtlich stimmen hier die Absprachen nicht mit der Realität überein. Nach einigen Tagen sollte der Trainee den Kontakt zum Vorgesetzten suchen und deutlich klären, was er erwartet. Es bleibt dann jedem selbst überlassen, ob er unter den gegebenen Bedingungen in diesem Unternehmen bleiben möchte. 

Welche Strategien gibt es, wenn der neue Mitarbeiter merkt, dass der Chef am laufenden Band politisch inkorrekte Witze reißt?

Dies sollte der Angestellte bereits innerhalb der ersten vierzehn Tage ansprechen – wenn auch nicht direkt am ersten Tag. Am besten ist es in diesem Fall, ein Mitarbeitergespräch einzufordern, sollte dies nicht automatisch auf der Agenda stehen. Der Chef wird höchstwahrscheinlich danach fragen, wie die ersten Tage bislang gelaufen sind. In diesem Zusammenhang lässt sich auf das deplazierte Verhalten verweisen.

Rhetorisch am geschicktesten ist es dabei, das Gegenüber nicht anzugreifen, sondern die Aussage auf sich selbst zu beziehen wie »Es irritiert mich, dass ...« oder »Ich kann damit nicht umgehen, dass ...«. Je nach Antwort des Vorgesetzten sollte eine entsprechende Reaktion folgen. Im Extremfall müsste der Neue kündigen und sich ein neues Unternehmen suchen.

Heutzutage ist das Verhältnis zwischen Chefs und Angestellten häufig weniger hierarchisch und oftmals fast freundschaftlich. Welche Möglichkeiten hat ein Einsteiger, wenn der Chef ihm die Freundschaft in einem sozialen Netzwerk anbietet?

Die Bandbreite ist hier vielfältig. Jedem ist bewusst, dass eine Freundschaft auf Facebook keiner Freundschaft im realen Leben gleichkommt. Dies ist eine individuelle Entscheidung. Niemand muss eine Freundschaft bestätigen. Auch wenn es sich um eine Plattform handelt, in der beruflich relevante Informationen ausgetauscht werden, ist es jedem freigestellt, beizutreten oder nicht. Ansonsten bleibt ein Vorgesetzter ein Vorgesetzter und dies lässt sich auch im digitalen Zeitalter so handhaben.

Diese Distanz geht manchmal auf Betriebsfeiern verloren, weil der Blick ins Glas zu tief war. Wie lässt sich der Ruf in diesem Fall wiederherstellen?

Am besten ist es hier, am nächsten Morgen die Flucht nach vorne anzutreten und das eigene Fehlverhalten offen anzusprechen. Durch die Entgleisung hat der neue Kollege ein Bild von sich geprägt, das so schnell nicht mehr auszulöschen ist. Im ungünstigsten Fall koppeln die Kollegen dieses Bild mit den fachlichen Qualitäten des Einsteigers und ziehen diese ins Lächerliche. Den Vorfall totzuschweigen, wäre falsch – es gilt, auf die Kollegen zuzugehen und die Sache zu klären.

Inwieweit hat sich das Verhältnis zwischen der ›neuen‹ Generation im Berufsleben und den ›alten Hasen‹ in den letzten Jahren entwickelt?

Die heutige Generation der Bachelorabsolventen tut sich manchmal ein wenig schwer, akzeptiert zu werden. Es gilt sich klarzumachen, dass ältere Arbeitnehmer oftmals einen größeren Erfahrungsschatz vorweisen können, mit einer anderen Technik gearbeitet haben und sich auch anders verhalten. Auf der anderen Seite bringt der Einsteiger sein bisher erlerntes Wissen, das er als richtig ansieht. Um etwaigen Differenzen vorzubeugen, ist es immer von Vorteil, wenn der neue Mitarbeiter entsprechend authentisch ist. Dazu zählt auch, dass er Fragen stellen und Nichtwissen bekunden darf – Menschlichkeit zahlt sich immer aus. Im Grunde genommen sollten sich beide Seiten als Menschen mit gewissen Erfahrungen und Verhaltensmustern akzeptieren. Dazu gehört auch, sich zuzuhören und zu versuchen, die Welt mit den Augen des anderen zu sehen. Letztendlich profitieren beide Seiten davon: der neue Mitarbeiter von den Erfahrungen des Älteren und der erfahrene Mitarbeiter von den neuen Ansätzen, die der Einsteiger mitbringt.

Welchen Tipp für den ersten Arbeitstag haben Sie für Berufseinsteiger?

Die meisten Berufseinsteiger werden an ihrem ersten Arbeitstag etwas Herzklopfen mitbringen. Das ist nachvollziehbar, wird der neue Beschäftigte doch mit vielen unbekannten Dingen und Verhaltensmustern konfrontiert. Es muss niemand Angst haben, etwas falsch zu machen. Besser ist es sicherlich, bei Unklarheiten deutlich nachzufragen, was beziehungsweise wie etwas getan wird. Die Offenlegung dieser Unwissenheit beziehungsweise dieser vermeintlichen Schwäche wandelt sich aufgrund der Frage sofort zu einer Stärke, zeigt es doch ein Interesse an der Arbeit.


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