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Your body talks: Was deine Körpersprache über dich aussagt

Deine Stimme ist nicht das einzige, was aus dir spricht: Unser Körper transportiert einen Großteil der Emotionen. Experte für Körpersprache Stefan Verra über entspanntes Lächeln und verschränkte Arme

Herr Verra, wie viel sagt Körpersprache über uns aus?

Können Sie zum Beispiel eine Gesprächsatmosphäre im Fernsehen deuten, wenn Sie den Ton ausschalten? Körpersprache gibt uns Aufschluss darüber, wie wir die Worte unseres Gegenübers wahrnehmen sollen. Der Chef kann zwar sagen: »Unser Wachstum betrug im letzten Quartal 4,7 Prozent« – solch konkrete Informationen kann Körpersprache nicht darstellen. Aber diese Information ist bedeutungslos. Denn ob der Chef damit zufrieden ist oder nicht, erkennen wir vor allem an seiner nonverbalen Kommunikation. Körpersprache gibt uns also Information über die Information. Damit ist auch die Gesprächsatmosphäre an der Körpersprache am deutlichsten erkennbar. Denn selbst wenn die Worte freundlich gewählt werden, an der Körpersprache sind die wahren Gefühle ablesbar.

Der Titel Ihrer aktuellen Live-Show lautet: ›Echt männlich. Richtig weiblich.‹ – Wie geschlechtsspezifisch ist unsere Körpersprache?

Ein sehr großer Teil ist bei Mann und Frau gleich. Macht, Selbstsicherheit, Angst und Zorn zeigen wir mit der gleichen Mimik und Gestik. Wenn es aber um das Werben um das andere Geschlecht geht, unterscheiden wir uns grundlegend. Genau da kommt es nämlich auf die Unterschiede an. Das heißt, wir suchen dann genau die Signale, die wir selber nicht aussenden. Zum Beispiel sucht eine Frau meist einen Mann, der Kraft und Sicherheit verspricht. Eine Frau muss gesund und vital wirken. Das war evolutionär wichtig.

Italiener würden viel mit ihren Händen reden, heißt es. Welche typischen Merkmale gibt es in der deutschen Kultur der Körpersprache?

Das ist ein großer Mythos: Südliche Länder würden mehr mit dem Körper sprechen als nördliche. Der Mensch spricht immer mit seinem Körper. In jeder Kultur der Erde. Der Unterschied liegt in der Intensität, in der Größe und Deutlichkeit der Gesten. Wenn der Italiener mit Armen und Händen den Worten Nachdruck verleiht, macht es der Deutsche vielleicht nur mit den Fingern und dem Heben einer Augenbraue.

Wenn ich in einem Bewerbungsgespräch sitze, soll ich mich da eher auf meine eigene Körpersprache oder die meines Gesprächspartners konzentrieren?

Beides ist entscheidend. Beginnen sollte man mit seiner eigenen, wenn man den Raum betritt. Denn wenn man da schon sehr verschlossen wirkt, kann das der Grund sein, warum sich der Personalchef ebenso verschließt. In der Folge  kann man an der Körpersprache des Personalchefs gut erkennen, wie die eigenen Aussagen ankommen. Öffnet er sich, zeigt er mehr Begeisterung, ist sein Augenmerk auf mich gerichtet? Und ein Hinweis noch: Bei all der Beobachtung der Körpersprache sollte man die Inhalte der Worte nicht vergessen. Nie ›entweder – oder‹, sondern immer »sowohl – als auch«.

Inwiefern sieht man einem Bewerber die Motivation schon an?

Motivation ist am ehesten an der Körpersprache erkennbar. Zuallererst würde ich auf eine Körperspannung achten. Wenn jemand im Stuhl fläzt, die Arme lasch herabhängen lässt und mit einem Schlafzimmerblick weismachen will, wie motiviert er für den Job ist, wird man ihm nicht glauben. Die Sache hat aber noch weitreichendere Folgen: Selbst wenn er motiviert wäre, es nur nicht zeigen könnte, würde er mit dieser Körpersprache andere demotivieren. Die Augenbrauen sind ein guter Hinweis: Bei Begeisterung heben wir sie deutlich an.

Wie erkenne ich am Ende des Gesprächs, ob mein potenzieller Chef mich sympathisch fand?

Er lächelt mehr als zu Beginn. Vielleicht verringert er auch den Abstand zu mir. Es kann sogar sein, dass er mich berührt. In jedem Fall wird aber der Augenkontakt beständiger bleiben als bei Antipathie.

Im Beruf darf der arbeitende Mensch niemals entspannt aussehen, hat man das Gefühl – sonst wird’s verdächtig. Wie kann man zeigen, dass man alles andere als faul ist und sich dennoch nicht auf dem Bürostuhl verkrampfen?

Missverständnis: Entspannung ist wünschenswert. Denn damit wirkt man souverän. Beobachten Sie Barack Obama. Er wirkt in vielen Situationen entspannt. Aber niemals spannungslos. Wer meint die Spannung übertreiben zu müssen, vermittelt einen hohen Spiegel des Hormons Cortisol. Das produzieren  wir, wenn wir im Stress sind. Also eine entspannte Bereitschaft zur Aktivität wäre ideal. Dazu gehören zum Beispiel ein wacher Blick, aufrechte Körperhaltung und ein entspanntes Lächeln.

Jeder kennt sie: Die Vortragenden, die stets ihr Gewicht von einem aufs andere Bein verlagern. Ihre Nervosität steckt an, lässt uns mitleiden. Warum macht uns das als Beobachtende so nervös?

Das ist eine wichtige Eigenschaft von Rudelwesen: Wir erkennen damit, ob Gefahr im Anmarsch ist. So wie Murmeltiere, Rehe und Vögel sofort auf die nervösen Signale der Rudelmitglieder hin aktiv werden. Als Vortragender sollte man sich deshalb auch seiner körpersprachlichen Wirkung bewusst sein. Vielleicht ist gar nicht der Inhalt so langweilig, vielleicht erwarten die Zuhörer bei dem nervösen Gehopse einfach nur den Säbelzahntiger um die Ecke.

Sie reden selbst immer wieder vor großem Publikum. Ein Umstand, der den meisten Dozenten an Universitäten auch nicht erspart bleibt. Welche Haltung würden Sie Professoren empfehlen, die nicht unsicher und schwach wirken wollen?

Das Wichtigste ist die Auswahl der Professoren. Es gibt ganz einfach sehr kluge Menschen, die aber kein Talent für das Sprechen vor Gruppen haben. Da helfen die besten Tipps nichts. Punkt. Allen, die eine gewisse Gabe und Liebe für ihr Publikum haben, gebe ich eines mit: Stellen Sie nicht Ihren Text in den Mittelpunkt, sondern das Publikum. Also die Studentinnen und Studenten. Sprechen Sie mit denen und nicht mit Ihren Unterlagen. Das beginnt beim Blickkontakt. Ist der mehrheitlich in die Unterlagen gerichtet oder aufs Publikum? Lesebrillen sind da ein Indiz. Wenn diese permanent getragen werden, ist klar: Das Wichtige ist nicht das Publikum, sondern der Text. Die Körperachse sollte zu den Leuten gedreht sein. Der Abstand zu den Zuhörern sollte variiert werden. Mal näher, mal weiter weg. Am besten mit den Inhalten korrelierend. Bewegungen sollten mal intensiv, mal sehr ruhig sein. Je mehr Abwechslung desto mehr Spannung. So wie ein Märchenerzähler mit seinem Ausdruck alle in den Bann zieht. Ich weiß schon, dass Professoren nur ja nicht als Märchenerzähler durchgehen wollen. Genau deswegen sind manche Vorlesungen auch recht unattraktiv. In meinem neuen Buch gebe ich ganz konkrete Tipps dazu. Ach ja, auch noch eine Empfehlung an die Studenten: Klappen Sie Ihre Laptops zu! Als Führungskräfte werden Sie später erkennen, wie unangenehm das ist, wenn man nicht weiß, was hinter dem Bildschirm passiert. Wenn Sie also erwarten, dass der Professor attraktiver mit Ihnen kommuniziert, sollten Sie mit gutem Beispiel vorangehen.

Selbst wenn man am Ende alles ›richtig‹ macht, kommt es ja auch darauf an, dass der andere unsere Körpersprache überhaupt zu deuten weiß. Inwiefern reicht dafür unser menschliches (Unter-)Bewusstsein aus?

Der Mensch kann die ursprünglichste Kommunikation sehr gut deuten. Aufmerksamkeit, Sympathie und Kompetenz ist für die meisten Menschen gut ersichtlich. Allerdings belegen Untersuchungen: Die Menschen, die sie besser lesen und empfangen können, sind im Leben erfolgreicher.

Wie kann ich Selbstsicherheit ausstrahlen, gerade wenn ich zum Beispiel in einem Business-Meeting relativ aufgeregt bin?

Zuallererst ein dringender Tipp: Wenn Sie nervös sind, versuchen Sie nicht, das zu überspielen. Man sieht es Ihnen ohnehin an. Stehen Sie dazu: »Der Termin ist für mich wirklich wichtig und ich habe mich schon lange darauf gefreut. Deswegen bin ich jetzt auch total nervös.« Damit zeigen Sie viel Wertschätzung und Respekt. Was bei Nervosität hilft, ist Bewegung. Wenn Sie es vor dem Termin noch schaffen, gehen Sie sich richtig auspowern. Joggen Sie, gehen Sie ins Fitnesscenter. Denn das ist der Sinn des Stresses: Vorbereitung für die Flucht oder den Kampf. Bewegung reduziert also den Cortisolspiegel. Beim Termin oder Vortrag selber kann man das auch ein wenig machen: Bewegen Sie sich zwischen Präsentationswand und Flipchart. Mit dieser Bewegung bauen Sie Nervosität auch ab.

Es scheint, als könnten manche Menschen überspielen, dass sie eigentlich gerade überhaupt keine Ahnung haben, wie sie eine bestimmte Frage beantworten oder was sie sagen sollen. Wie gelingt ihnen das?

Das halte ich für keine erstrebenswerte Fähigkeit. Effektiv macht man das, indem man viel redet und sich schleichend vom Thema weg zu einem anderen Thema hinbewegt, zum Beispiel zu übergeordneten Themen. Wenn es also um die Budgetzahlen des letzten Quartals geht (die man nicht parat hat), kann man sich vom letzten Quartal auf die allgemeine Konjunktur bis hin zu grundsätzlichen Marktbedingungen in den Vergleichsquartalen davon ›stehlen‹. Körpersprachlich ist es wichtig, die Position zu wechseln. Der Themenwechsel wirkt besonders glaubhaft, wenn man vom Meetingtisch aufsteht, zum Flipchart geht und die Entwicklung der Vergleichsquartale aufzeichnet. Seinen Körper vom Frager wegdrehen und in die Runde antworten, bezieht alle anderen mit ein und rückt die gestellte Frage in den Hintergrund. Der Erfolg dieser Strategie ist enden wollend. Denn sehr schnell werden Menschen diese Strategie durchschauen. Eine gewinnende Körpersprache ersetzt nie die tatsächliche Kompetenz. So wie umgekehrt Kompetenz sinnlos ist, wenn man unglaubwürdig erscheint.

Eine große Frage für unsere Leser ist auch immer, wie sie auf Messen am besten auf zukünftige Arbeitgeber zugehen. Was können Sie den Absolventen raten?

Seien Sie derjenige Mensch, der aktiv auf den anderen zugeht. Also warten Sie nicht bis der Arbeitgeber kommt. Damit wirken Sie passiv und zeigen keine Initiative. Beginnen Sie mit der Initiative und haben Sie keine Angst vor Knigge. Auch wenn der Arbeitgeber potentiell höher steht, wirken sie trotzdem selbstbewusst, wenn Sie mit dem Gruß beginnen. Heben Sie beim Erblicken des zukünftigen Chefs die Augenbrauen. Das zeigt Begeisterung und gibt ihm die Sicherheit, wahrgenommen worden zu sein. Bewegen Sie sich. Unsicherheit heißt auch, sich in eine Ecke zu verkriechen. Selbstbewusste Menschen zeigen sich und nehmen damit Raum ein. Und ganz wichtig: Lächeln Sie!

Was lässt einen Menschen vertrauenswürdig erscheinen?

Ein klarer Augenkontakt vermittelt Vertrauenswürdigkeit. Zudem ist eine gerade Körperhaltung in diesem Fall positiv. Dazu noch ein Tipp: Achten Sie darauf, dass Augen, Mund und Hände sichtbar sind. Das sind jene Körperteile die im sensomotorischen Cortex des Gehirns mit am größten repräsentiert sind. Wir ziehen aus ihnen viel Information über den anderen. Deswegen wollen wir sie beim anderen auch sehen. Also Achtung: Keine Sonnenbrillen und Frisuren, die die Sicht auf die Augen verdeckt. Mund frei halten und die Hände nicht in die Hosentaschen.

Zuletzt noch eine Frage, bei der es auch um das Werben um andere Personen geht, aber nicht um einen Arbeitgeber. Flirten im Hörsaal: Wie kann ich erkennen, ob eine Person an mir interessiert ist?

Die Aufmerksamkeit der Person ist mehr auf Sie gerichtet als auf alles andere. Der Blickkontakt wird immer wieder gesucht. Die Person wird auch versuchen, die körperliche Distanz zu verringern. Der Sitzplatz wird möglichst in der Nähe gesucht und beim Verlassen des Hörsaals wird die Person genau darauf achten, möglichst mit Ihnen den Saal zu verlassen. Der Mann wird wahrscheinlich versuchen, zu beeindrucken. Mit körperlicher Präsenz, indem er sich aufrichtet und auch seinen Brustkorb präsentiert. Alles Signale also, die Kraft versprechen. Er zeigt damit an, dass er für Sicherheit sorgen kann. Die Frau wird ihr Haar richten, den Hals herzeigen und den Blick eher von seitlich und unten richten. Zudem wird sie ihren Körper eher in geschwungenen Linien halten. All das zeigt Gesundheit, Vitalität und die Fähigkeit, Kinder zu bekommen.

 

Stefan Verra ist Körpersprachexperte, Dozent an der Steinbeis Hochschule Berlin, Gastreferent an diversen Universitäten sowie Erfolgsautor und TV-Experte. Sein aktuelles Buch trägt den Titel: ›Hey, dein Körper spricht! Worum es bei Körpersprache wirklich geht‹.


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