Lichterschild "Change"

Expertentalk zur Zukunft der Versicherungsbranche

Digitaler Wandel, Insurtechs, Anforderungen: Was sich tut in der Verischerungsbranche,

erklärt Dr. Michael Gold im Interview

Herr Dr. Gold, welche Chancen bringt die Digitalisierung für die Versicherungsbranche?

Sie bringt Chancen für Kunden, Mitarbeiter und Versicherer. Laut einer aktuellen Studie, die Kantar TNS für den Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV) durchgeführt hat, erwarten die Mitarbeiter vor allem positive Veränderungen in der Effizienz interner Abläufe, in der Entwicklung neuer Produkte sowie in der Kundenberatung und -betreuung. Durch die digitale Unterstützung der internen Prozesse profitieren zudem die Kunden. Die Versicherer können schneller und besser auf die Kundenwünsche reagieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, etwa über Apps oder das Internet rund um die Uhr die Versicherer zu kontaktieren, Kunden- und Vertragsdaten einzusehen und gegebenenfalls zu ändern, Schäden zu melden und neue Verträge abzuschließen.

In welcher Weise muss die Versicherungswelt sich dem digitalen Wandel anpassen?

Die Versicherer reagieren auf sich änderndes Kundenverhalten und deren Wünsche. Sie sind etwa online präsent, bieten Apps an und zeigen sich in sozialen Netzwerken, um so im direkten Kontakt zum Kunden zu stehen. Was der Kunde nicht sieht, sind die Prozesse, die im Hintergrund laufen. Durch Automatisierung und Digitalisierung verbessern die Unternehmen ihre Prozesse kontinuierlich. Das erfordert einen Wandel der Organisation, der von Change-Managementprozessen begleitet wird. Versicherer gründen eigene InsurTechs, beziehungsweise beteiligen sich an Gründungen, richten Labs ein und arbeiten vermehrt mit InsurTechs zusammen.

Aktuell herrscht ein wahrer Gründungsboom im InsurTech-Bereich. Wie können und müssen etablierte Versicherer darauf reagieren?

Diverse InsurTech-Start-ups, die mit innovativen Ideen am Markt auftreten, erhöhen den Druck auf die Versicherer, ihre Digitalisierung schneller voranzutreiben und bestimmte Prozesse und Geschäftsmodelle zu überdenken. Die Unternehmen können InsurTechs als Sparringpartner gewinnen, um von ihnen zu lernen und um die internen Veränderungsprozesse voranzutreiben.

Was machen InsurTechs eigentlich anders als etablierte Versicherer?

Zunächst einmal sind sie flexibler und damit häufig schneller und agiler. Flache Hie-rarchien und weniger Restriktionen auf allen Ebenen sind hier von Vorteil.  Hinzu kommt, dass sich die InsurTechs häufig nur auf ausgewählte Prozesse konzentrieren, um mit neuen Ideen und Innovationen zum Teil eingefahrene Prozesse in Frage zu stellen. Damit treiben sie die Versicherer an, neu zu denken, zu kooperieren und flexibler zu werden. Vor allem in den Bereichen Artificial Intelligence, Sensorik und Data Analytics bringen diese ganz neue Aspekte in die Branche ein. Aber auch beim direkten Kundenkontakt sehe ich neue Ansätze.

Wie schätzen Sie die Erfolgschancen der Masse der InsurTech-Neugründungen ein?

Ich gehe davon aus, dass InsurTechs langfristig weniger eine Konkurrenz für etablierte Versicherer darstellen, sondern vielmehr mit diesen kooperieren und diese antreiben, noch besser zu werden. Sie können in ausgewählten Bereichen Dienstleistungen und Services übernehmen. Viel spannender wird das Thema ›reine‹ Digital-Versicherer. Wie werden die Kunden sich verhalten? Werden die Kunden wirklich alle elementaren Risiken von sich aus abschließen oder benötigen wir auch weiterhin die klassischen Vertriebswege mit persönlicher Face-to-Face-Ansprache? Ich persönlich gehe von Letzterem aus, ungeachtet dessen werden natürlich die Digital Natives und die zukünftigen Kunden zum Teil einen anderen, digitaleren Kunden-Unternehmen-Beziehungsmix haben.

Inwiefern wird sich die Berufswelt für Einsteiger in der Versicherungsbranche verändern?

Rund um die Digitalisierungsthemen und im IT-Bereich werden neue Aufgaben und damit neue Jobs entstehen. Die Akademisierung wird weiter zunehmen in einem Umfeld, in dem einfache Tätigkeiten wegfallen. Bereiche wie Schadensabwicklung oder Vertragsservice werden zudem zum Teil automatisiert werden. Neben einem 24-Stunden-Zugang über digitale Kanäle wünschen sich die Kunden aber nach wie vor die persönliche Betreuung.

Welche Skills sollten Wirtschaftswissenschaftler mitbringen, um für die im Wandel befindliche Versicherungsbranche gut aufgestellt zu sein? 

Für Wirtschaftswissenschaftler sind IT-Kompetenzen nicht mehr wegzudenken. Bei den jüngeren Generationen gehören viele dieser Kompetenzen bereits zum Alltag. Doch auch im Studium sollte das Erlernen der IT-Skills nicht zu kurz kommen, um auf das Berufsleben in der Versicherungsbranche vorbereitet zu sein. Ansonsten sind eine ausgeprägte Problemlösungsorientierung, eine schnelle Auffassungsgabe und hervorragende analytische Fähigkeiten sowie präzise und nachvollziehbare Kommunika-tionsfähigkeiten stets von Vorteil.

Zur Person: Dr. Michael Gold, Geschäftsführer des Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV)


Anzeige

Anzeige