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Mach dein Hobby zum Beruf!

Die Gamingbranche jagt den Highscore und du kannst zum Player One werden.

Kaum ein Bereich hat von der Corona-Pandemie so profitiert wie die Gamingbranche. Menschen mussten sich isolieren, da waren Videospiele eine der wenigen Möglichkeiten, um sich zu beschäftigen und soziale Kontakte zumindest digital zu pflegen. Doch den Boom nur auf die Pandemie zu beschränken, würde dem Ganzen nicht gerecht. 59 Prozent der Deutschen spielen mittlerweile Computer- und Videospiele – Tendenz steigend.

Elden Ring, The Legend of Zelda: Breath of the Wild oder God of War: Ragnaröck zeigen, wie Spiele auch in der heutigen Zeit noch faszinierende und überraschende Welten kreieren können – ganz zu schweigen vom immer wichtiger werdenden Storytelling. Mittlerweile träumen zahlreiche junge Menschen davon, Spielen zum Beruf zu machen und die Wege, die zur großen Karriere führen sind breit gefächert. Die Zukunft sieht rosig aus. Doch wie steht es um Deutschland? Sind wir wettbewerbsfähig? Und wie steht es um den Arbeitsmarkt und deine Zukunft in der Branche? Wir verraten es dir.

 

Buyed not made in Germany

Laut dem aktuellsten Jahresbericht des »game«-Verbands hat die Branche im Jahr 2021 9,756 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Das bedeutet Platz Eins in Europa und Platz Fünf weltweit. »Die Gamingbranche ist auf einem guten Weg«, meint auch Uke Bosse, Medienschaffender und Professor an der Mediadesign Hochschule in Berlin. Das große Problem: Nur ca. vier Prozent des Umsatzes wird durch deutsche Unternehmen erzielt. »Deutschland ist noch nicht konkurrenzfähig«, meint auch Bosse. Doch der Moderator des »Deutschen Computerspielpreis« ist optimistisch, dass sich die Situation verbessern wird. »Irgendwann ist der Groschen gefallen, wir können froh sein, dass wir jetzt die Förderungen haben. Was daraus wird, müssen wir in drei bis fünf Jahren sehen.«

Auch Christoph Graf vom SAE Institute ist über die Entwicklung der Branche erfreut. »Man kann zufrieden sein, wo Deutschland ist. Es ist in den letzten zehn Jahren viel passiert. Wir haben viele Firmen, von klein bis groß und zahlreiche Förderprogramme. Es wird in den nächsten Jahren noch besser!« Auch die Flexibilität der Förderung wird von Graf positiv hervorgehoben: »Everspace 2  hat nicht das gesamte Spiel, sondern die Erweiterung fördern lassen. Man kann auch innerhalb einer Entwicklung Förderungen beantragen.« Seit 2020 hat die Bundesregierung beschlossen, jedes Jahr 50 Millionen Euro in die Förderung von Videospielen zu stecken. Ein solcher Vorstoß ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.

 

Die Förderungs-Türsteher

Die Games-Förderung scheint positiven Anklang zu finden, doch es gibt auch Kritik. Gabriel Yakir Ketteler, Senior Manager CRYENGINE Ecosystem & Communications bei Crytek, ist mit der Umsetzung nicht zufrieden. »Wir machen hauptsächlich 18+-Spiele und First-Person-Ego-Shooter. Man möchte gerechtfertigt haben, warum man ein Kulturgut schafft und muss sich erklären. Andere Branchen haben es da deutlich einfacher.« Ein weiteres Problem sieht er in der Bewertung von Unternehmen. »Für uns als gestandenes Unternehmen ist es fast unmöglich, Förderung zu bekommen. Nur weil man groß und lange dabei ist, heißt es noch lange nicht, dass man keine Förderung benötigt. Uns rettet keiner! Da wird mit zweierlei Maß gemessen.« Andere Länder seien Vorbilder. »Polnische Games sind zum Beispiel Kulturgut und Exportschlager.« In Polen sind mittlerweile 470 Videospielentwickler tätig, die im Jahr 2020 allein 969 Millionen Euro erwitschaftet haben. Games wie »The Witcher« oder »Cyberpunk 2077« stammen aus dem europäischen Staat und gehören zu den populärsten Spielen der Welt. Das hat Deutschland schon lange nicht mehr geschafft.


»Man muss den Leuten Klarmachen: »Ihr habt einen Wert. CrunCh ist kein Muss!«

Christoph Graf // SAE Institute


Auf der Jagd nach den Coins

Auch in der Gamingbranche selbst besteht noch Handlungsbedarf. Christoph Graf sieht teilweise noch fragwürdige Arbeitsbedingungen. »Das Hobby zum Beruf zu machen wird teilweise immer noch ausgenutzt. Crunch gehört bis heute oft noch zum Alltag. Entwickler brüsten sich damit, 100 Entwicklungsstunden innerhalb von einer Woche absolviert zu haben, damit ein Spiel fertiggestellt werden kann.« Crunch ist ein Phänomen, welches vor allem in der Videospielbranche immer wieder vorgekommen ist. Kurz vor Release eines Games werden zahlreiche Überstunden angehäuft, damit ein Spiel möglichst fehlerfrei auf den Markt kommt. Das hat oft schlechte Arbeitsbedingungen und viel Druck zur Folge. Laut Graf sei ein Lösungsanansatz, den Druck von den Unternehmen zu lösen. »Man muss Erwartungsmanagement betreiben. Spiele haben einen bestimmten Wert. Doch eine Entwicklung ist schon zu sehen. »Mittlerweile ist schon viel awareness da«, meint Graf und auch Uke Bosse ist sich sicher, dass es »in Zukunft noch angenehmer wird, in der Branche zu arbeiten.« Der ehemalige Game One-Chef macht aber auch klar, dass die Branche noch nicht da ist, wo sie sein sollte. »Man muss sich darauf einstellen, dass man zum Beispiel als Programmierer in der Gamingbranche jetzt noch weniger verdient, als in anderen Bereichen.« Graf sieht das ähnlich, glaubt aber, dass die Gehälter durch »die Föderprogramme besser werden könnten.« Er sieht an anderer Stelle Handlungsbedarf.

»Die Branche muss diverser werden. Da muss man ein bisschen was tun. Programmieren ist immer noch eine Männer-Domäne. Im Indie-Bereich geht die Entwicklung dagegen schon in die richtige Richtung.« Der Frauenanteil liegt bei nur 25 Prozent. Hinzu kommen jahrelange Versäumnisse, die flächendeckend zum Problem werden. »Wir müssen in digitale Infrastruktur investieren. Rumänien hat seit Anfang der 2000er flächendeckend Glasfaser. Ich weiß nicht, warum wir das nicht hinbekommen haben. Wenn wir international mitspielen und globales Talent anwerben wollen, müssen wir in diesem Bereich besser werden«, lautet die klare Meinung von Gabriel Ketteler. Er ist sich sicher, dass auch in Zukunft deutsches Talent alleine nicht reichen wird. »Die Gamingbranche ist eine globale Branche, also brauchen wir auch globale Talente.« Ohne die dementsprechende Infrastruktur schwer vorstellbar, mit anderen Ländern mithalten zu können. Denn auch in der Gamingbranche steht Outsourcing auf der Tagesordnung.

 

 

KI als Chaosbringer?

Die Zukunft der Gamingbranche ist schwer zu prognostizieren, vor allem weil eine Komponente dazu kommt, die bisher eher ein Nebenschauplatz war. »KI kann die Branche total durcheinander bringen. Sieht man es positiv, hat man mit Künstlicher Intelligenz die Möglichkeit, Spiele zu entwickeln, wie es bisher kaum möglich war. Wenn man auf die negative Seite blickt, könnte KI aber auch zahlreiche Jobs gefährden.« Egal, wie man es sehen will, Tools wie ChatGPT und Co. werden die Gamingbranche beeinflussen. Wie sich das auf zukünftige Spiele auswirken wird, steht noch in den Sternen. Laut Bosse muss diese Veränderung aber nichts bedeuten. »Egal ob vor zehn Jahren oder heute, man kann immer sagen, das gleiche Spiel kommt heraus, es sieht halt geiler aus!« Mit Blick auf die Entwicklung von The Legend of Zelda oder Super Mario trifft diese Aussage zu.

 

Betritt die Lobby

Die Jobs im Gamingbereich sind in jedem Falle vorhanden. 786 Unternehmen in Deutschland entwickeln oder vertreiben Games. Die Anzahl der Beschäftigten im Kernmarkt sind von 10.906 im Jahr 2021 um drei Prozent auf 11.242 Beschäftigte im Jahr 2022 gestiegen. Und der Gipfel ist noch lange nicht erreicht. Zum Vergleich: Kanada, dass nur halb so viele Einwohnerinnen und Einwohner wie Deutschland hat, beschäftigt rund 32.300 Mitarbeiter im Kernmarkt. »Die Zukunftschancen sind gerade besser als vor acht Jahren. Der Fachkräftemangel ist auch in unserer Branche vorhanden«, meint Uke Bosse. Der Übergang zwischen Universität und Arbeitsplatz funktioniere in jedem Fall gut, wenn es nach Bosse geht: »Der Großteil meiner Studierenden bekommt einen Arbeitsplatz. Ich schätze, dass 80 Prozent den Übergang schaffen.«

Zahlen, die erst einmal sehr positiv klingen, doch bis zum fertigen Studium ist es oft ein steiniger und vor allem teurer Weg. So sind die Kosten für Gaming-Studiengänge immens, da viele Hochschulen in privater Hand liegen. »Wenn Studierende 890 Euro monatlich zahlen müssen, darf man sich nicht wundern, dass sich das viele nicht leisten können«, meint auch Gabriel Ketteler. Und wie sieht es mit Praktika aus? Ein schwieriges Thema, auch für Ketteler: »Wir halten uns da eher an unsere Partnerunis. Wir produzieren TripleA-Spiele, wir haben nicht die Kapazität, um die Leute von null zu betreuen. Dafür unterstützen wir zahlreiche Unis und sind offen für Kooperationen.« Viele dieser Unis bieten Shows an, damit interessierten Unternehmen Projekte gezeigt werden können. »Wenn wir etwas spannendes sehen, gehen wir auf die Leute zu und fragen, ob sie Lust auf ein Praktikum hätten«, berichtet Ketteler.

 

DIY

Doch wie gelingt der Start, wie kannst du am besten in die Gamingbranche einsteigen? Das liegt ganz an dir. Auch Uke Bosse macht das vom Typ abhängig: »Ich war immer jemand, der am besten gelernt hat, wenn vorne jemand stand und mir etwas Stück für Stück beigebracht hat. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er lieber den universitären Weg gehen will oder es sich selbst beibringt. Ein Spiel selbst zu machen ist so einfach wie noch nie!« Gleichzeitig macht er aber klar, dass das Entwickeln von Spielen mit Arbeit verbunden ist: »Ein Spiel entwickeln macht nicht so viel Spaß wie ein Spiel spielen, so viel ist klar! Für Christoph Graf ist die Eigeninitiative sogar noch wichtiger: »Wenn ihr eine Idee habt, fangt einfach an, euch das selbst beizubringen. Sucht euch ein paar Leute, die mitmachen wollen. Man kann nichts falsch machen, es bereichert die Branche.«

Auch Ketteler schlägt in die gleiche Kerbe: »Egal was in deinem Curriculum steht. Mach ein Game! Steck Extra-Zeit hinein! Wir haben jemanden eingestellt, der die Schule abgebrochen hat und eine schwierige Zeit hatte, weil wir einfach das Potenzial in ihm gesehen haben.« Das soll aber nicht heißen, dass das Studium nicht wichtig ist. Sie würden nur gerne einfach  sehen, dass du die Leidenschaft hast, dass du etwas selbst auf die Beine gestellt hast und dein Ding machst. »Wenn du zum Beispiel den Traum hast, bei Crytek, Ubisoft oder Co. zu arbeiten, geh frühzeitig auf die Unternehmensseiten und schau dir an, was die brauchen«, lautet Kettelers Appell. Die deutsche Gamingbranche hat Potenzial, so viel steht fest. Auch wenn es noch zahlreiche Probleme gibt, die Tendenz geht nach oben und die Zahlen sprechen für sich. Doch ob Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein »The Witcher« oder »Dying Light« auf die Beine stellen kann, steht noch in den Sternen. Vielleicht bist du ja der, der den Stein ins Rollen bringt. Leg los und erobere die Spielewelt!


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