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Just different – Schwerpunktsuche im Jurastudium

Das geht doch auch anders. Unsere Sammlung über Fachrichtungen, die dich nach dem Studium special machen.

IT-Recht

Beginnen wir mit etwas ziemlich Aktuellem – wobei so extrem neu ist das IT-Recht auch wieder nicht. Tatsächlich wird über die juristischen Bedingungen im Rahmen der Informationstechnik schon seit Etablierung des Computers diskutiert. Mitte der Neunziger bezog sich dieses Rechtsgebiet allerdings hauptsächlich aufdie EDV. Die immer raschere Ausbreitung des Internets hat auch hier einiges durchgewirbelt. Auf einmal war die ganze Welt miteinander vernetzt, sodass die klare Kommunikation über die jeweilige Rechtslage der einzelne Länder unabingbar war. Seit den frühen 2000ern wurde die Nische demnach immer umfangreicher und umfasst neben Hard- und Softwarerecht Themen wie E-Commerce, Providerverträge oder auch Datenschutz. Das Handwerkszeug eines Fachanwalts für IT-Recht bedient sich dabei aus ganz unterschiedlichen anderen Spezialisierungen wie dem Urheberrecht, Markenrecht oder auch dem Zivilrecht. Zum Klientel von Kanzleien, die sich hier spezialisieren, gehören neben reinen Tech-Firmen auch große Unternehmen, die sich ihre IT-Abteilungen absichern wollen. Interessierte Juristen mit Sicherheits-Skills sollten bereit sein, sich in teilweise äußerst komplexe Sachverhalte einarbeiten und interdisziplinär denken zu müssen. Mittlerweile bieten einige Hochschulen einen juristischen Master mit Spezialisierung auf IT-Recht an. Der ist aber keinesfalls ein Muss. Genauso musst du auch nicht die krassen Skills im Programmieren haben. Ein paar Erfahrungen bezeugen allerdings dein Interesse am Thema.

 

Urheberrecht

"Ich halte es für ein Klischee, wenn in der breiten Bevölkerung das Urheberrecht ausschließlich mit Fotos und Büchern in Verbindunggebracht wird." Dr. Ole Damm

»Cooles Bild, das zieh ich mir aus dem Netz und packe es auf meinen Blog!« Es ist mittlerweile ziemlich einfach, sich alle möglichen Bilder und Videos aus dem Internet zu holen. Viel schwieriger wurden dadurch die Fragen um das Urheberrecht. Diese »Nische« der Juristik erfreut sich in einer immer digitaleren Welt stetig wachsender Beliebtheit. »Ein klassischer Urheberrechtler hat die Aufgabe, die Interessen von Künstlern oder der sogenannten Kreativwirtschaft zu schützen«, berichtet Rechtsanwalt Joerg Heidrich, »Hierzu gehört Beratung, das Verfassen von Verträgen oder auch von Abmahnungen. In meiner Kanzlei ist dieser Bereich in vielen unserer Arbeitsfelder höchst relevant, sei es bei der Betreuung von Startups oder Influencern, Anbietern von KI oder bei der Mitarbeit an wissenschaftlichen Projekten.« Bevor sich Streaming-Dienste wie Spotify oder Netflix entwickelt haben, boomte der Markt an illegalen Tauschbörsen für Musik, Filme oder auch Videospiele, aber auch heute noch haben Urheberrechtler eine Menge zu tun. Dabei geht es nicht nur um das Schreiben von Abmahnungen. »Ich habe mich bereits im Studium für den Bereich geistiges Eigentum, aber auch für das Informationstechnologierecht interessiert. Beide Rechtsgebiete weisen Bezüge zum Urheberrecht auf. So war es dann auch folgerichtig, dass ich am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster mit einem urheberrechtlichen Thema promovierte«, erzählt Jurist Dr. Ole Damm. Joerg Heidrich fügt hinzu: »Persönlich fasziniert mich derzeit vor allem die Anwendung des Urheberrechts im Bereich KI und die dabei entstehenden spannenden
Rechtsfragen, die diesen Rechtsbereich gerade regelrecht aufmischen.« Und tatsächlich stellen sich beim Thema Künstliche Intelli-genz ganz neue Herausforderungen für das Urheberrecht. In den Sozialen Medien gibt es beispielsweise einen riesigen Hype um KI-erstellte Zeichnungen oder Portraits. Immer mehr Apps bieten an, Gemälde in beliebigen Stilen zu erstellen – auf der Grundlage eines beliebig eingegebenen Textes. Die Frage stellt sich: Wer ist der Urheber dieser Bilder? »Die Entwicklungen im Bereich generativer KI sind regelrecht revolutionär. Rechteinhaber genossen im Rahmen der rechtlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte immer einen sehr hohen Schutz«, erklärt Heidrich. »Daher fällt es ihnen schwer, zu akzeptieren, dass die Ergebnisse der KI in aller Regel nicht urheberrechtlich geschützt sind und man sich nur eingeschränkt gegen das Auslesen der eigenen Inhalte durch KI wehren kann. Diese Entwicklung zu begleiten, dürfte gerade zu den spannendsten juristischen Herausforderungen gehören.« Welche Fähigkeiten braucht es aber nun, um sich im Urheberrecht engagieren zu können? »Zu den wesentlichen Soft Skills des urheberrechtlich tätigen Rechtsanwalts gehört sicherlich die Fähigkeit, dem Mandanten sehr gut zuzuhören und herauszufinden, was er jenseits seiner expliziten Wünsche möglicherweise wirklich braucht, empfiehlt der Jurist Dr. Damm. »Hierbei ist vom Anwalt eine Sprache zu gebrauchen, die auch der juristische Laie versteht. Nicht selten ist bei urheberrechtlichen Abmahnungen der Rechtsanwalt auch als ›Psychologe‹ gefragt, denn für viele abgemahnte Privatpersonen sind der Vorgang an sich, aber auch die damit verbundenen finanziellen Forderungen etwas, das den Schlaf rauben kann.«

 

Medizinrecht

"Medizinrecht ist ein wesentlich breiteres Gebiet, als es zunächst den Eindruck macht." Dr. Sebastian Krekeler

Herr Dr. Krekeler, was sind die Aufgaben eines Anwalts, der sich auf Medizinrecht spezialisiert?

Das hängt stark davon ab, in welchem Teilbereich man tätig ist. Bei Kanzleien, die sich auf Praxisgründungen und vertragsärztliche Fragestellungen spezialisiert haben, überwiegt die beratende Tätigkeit. Unsere Kanzlei hat einen großen Schwerpunkt im Arzthaftungsrecht. Wir vertreten bundesweit Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte und weitere Leistungserbringer aus dem Gesundheitssektor. Zentrale Aufgabe ist dabei die Abwehr von Ansprüchen und das Auftreten vor Gerichten, aber auch die Regulierung berechtigter Ansprüche.

Was begeistert Sie an der Arbeit?

Gerade im Bereich des Arzthaftungsrechts treffen zu den juristischen Fragestellungen auch immer wieder medizi-nische Fragen – das macht die tägliche Arbeit sehr abwechslungsreich. Durch diese naturwissenschaftlichen Bezüge und die starke richterrechtliche Prägung handelt es sich zudem um ein Gebiet, in dem ein hoher Spezialisierungsgrad extrem hilfreich ist.

Welche Fähigkeiten insbesondere Soft Skills braucht es für eine Karriere im Medizinrecht?

Neben kommunikativen Fähigkeiten sollte grundlegendes Interesse an medizinischen Themen und den Abläufen im Gesundheitssektor vorhanden sein.

Kann man sich bereits im Studium spezialisieren?

Ja! Zahlreiche Universitäten bieten im Schwerpunkt Vorlesungen zum Medizinrecht an. Beispielsweise werden an der Universität Münster drei unterschiedliche Veranstaltungen hierzu angeboten, unter anderem auch die Vorlesung »Arzthaftung und Zivilrecht«, die ich seit vergangenem Jahr mitbetreue. 

Dr. Sebastian Krekeler  ist Lehrbeauftragter an der Universität Münster sowie Rechtsanwalt in der Kanzlei Bergmann Partner in Hamm.

 

Bau- und Immobilienrecht

Dass der Leitspruch »Schaffe, schaffe, Häusle baue« manchmal ganz schöne Schwierigkeiten mit sich bringt, weiß jeder, der schon einmal in ein Bauvorhaben integriert war. Damit hier kein Pfusch betrieben wird, engagieren sich Baurechtler. Aber auch beim fertigen Haus gibt es viele juristische Stolpersteine, wenn es beispielsweise um die Vermietung von Räumlichkeiten geht. All das lässt sich unter dem Schirm des Immobilienrechts zusammenfassen. Juristen, die sich hier spezialisieren, kümmern sich vornehmlich um die Gestaltung von Kaufverträgen, schreiten bei Konflikten zwischen Mieter und Vermieter ein und übernehmen teilweise die Vetretung bei Behörden. Wie bei vielen anderen Spezialisierungen gilt es auch hier erste Erfahrungen in Praktika oder im Ref zu sammeln. Einige wenige Hochschulen bieten aber auch berufsbegleitende Masterprogramme an wie  die Universität Münster. Auch Zertifizierungslehrgänge gibt es im Immobilienrecht immer wieder, so beispielsweise an der Hochschule Biberach. Neben dem Dienst in einer Kanzlei stehen dir im Bau- oder Immobilienrecht aber auch Karrieren in Unternehmen, Wirtschaftsprüfgesellschaften oder im öffentlichen Dienst offen.

 

Agrarrecht

Darf die Kuh gemolken werden oder nicht? Spaß! Fragen wie diese werden im Agrarrecht nicht verhandelt. Bei dieser Nische handelt es sich vielmehr um einen spannenden Querschnitt durch die Bereiche Landwirtschafts-, Forst-, Binnenfischerei- und sogar Jagdrecht. Einen großen Schwerpunkt bilden aber vor allem Fragen die Erb- oder Pachtrecht betreffen, wenn es um die Frage geht, wo die eigenen Ländereien anfangen und aufhören. Als Anwalt für Agrarrecht berätst du Landwirte bei der Schließung neuer Pachtverträge oder beim Verkauf von Agrarflächen. Auch das Thema Tierschutz spielt eine Rolle, beispielsweise wenn es um die Umsetzung von Auflagen des Veterinäramtes geht. Spezialisierungen an Hochschulen – beispielsweise im Master – sind sehr selten. Diejenigen, die hier ihre Zukunft sehen, sollten bereits im Referendariat erste Erfahrungen in spezialisierten Kanzleien eingehen und sich neben dem Studium weiterbilden.

 

Familienrecht

Von einer Nische zu sprechen ist im Fall des Familienrechts eher fraglich. Immerhin befasst sich das komplette vierte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches mit der
Thematik. Im Allgemeinen dreht sich diese Spezialisierung um die juristische Regelung von familiären Bindungen wie der Ehe. Entgegen des Klischees geht es beim
Familienrecht aber um mehr, als sich durch die hohe Zahl der Scheidungen die eigenen Taschen zu füllen. Neben der Auflösung von Ehen sind auch Adoption oder Vormundschaft Themen. Auch mit dem Erbrecht gibt es einige Berührungspunkte, weshalb die Kanzleien mit beiden Spezialisierungen recht häufig sind. Möchtest du hier eine Karriere planen, dann bereitest du dich auf eine berufliche Zukunft in einer kleinen oder mittelständischen Kanzlei vor. Großkanzleien sind im Erb- und Familienrecht sehr selten. Neben der Karriere als Fachanwalt besteht natürlich auch die Möglichkeit im Rahmen des öffentlichen Dienstes am Familiengericht zu arbeiten oder eine Karriere als Notar oder Notarin zu planen. Im Studium solltest du besonders beim Thema Allgemeines Zivilrecht aufpassen, da das Familienrecht im Großen und Ganzen auf dessen Grundsätzen beruht. Mehr denn je sollte hier zu deinen Soft Skills der gute Umgang mit Menschen gehören. Immerhin ist kaum ein anderes Thema so emotional aufgeladen wie die Familie.

 

Erbrecht

"Es geht nicht nur darum, die Rechte für einen Mandanten im Zweifel vor Gericht zu erstreiten, sondern auch darum, durch eine sorgsame Vermögensnachfolgeplanung einen zukünftigen Streit zu vermeiden.Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht

Herr Bittler, was sind die Aufgaben eines Anwalts, der sich auf Erbrecht spezialisiert?

Die Beratung in allen Fragen rund um Erben und Vererben. Vor Eintritt eines Erbfalls sind dies im Rahmen der Vermögensnachfolgeplanung die Beratung zu lebzeitigen Übertragungen/Schenkungen, die Erstellung eines ordnungsgemäßen und auf die Familienverhältnisse abgestimmten Testamenten. Beides jeweils unter Beachtung von schenkungs-steuerlichen Fragen, ebenso die Beratung zu Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Bestattungsverfügung.

Was begeistert Sie an der Arbeit?

Eine Tätigkeit im Erbrecht ist ohne fundiertes erbrechtliches Wissen nicht möglich. Aber es kommt nicht nur auf juristisches Know-how an. Wichtig ist auch zu verstehen, welche Ziele die Mandanten verfolgen. Die sind nicht immer rein wirtschaftlich, es geht auch oft um den Ausgleich »emotionaler« Wunden. Im Rahmen von Beratungsgesprächen sind Mandanten sehr offen und geben Einblick in ihre familiären Verhältnisse, Sorgen und Nöte. Dies macht die anwaltliche Tätigkeit sehr persönlich und fordert ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt.

Welche Fähigkeiten insbesondere Soft Skills braucht es für eine Karriere in einer auf Erbrecht spezialisierten Kanzlei?

Erforderlich sind fundierte erbrechtliche Kenntnisse, die man zunächst in der Theorie am besten über einen Fachanwaltslehrgang für Erbrecht erwirbt und sodann in erbrechtlichen Mandaten in der Praxis erweitert. Berufsanfänger sollten daher zunächst eine gewisse Zeit in einer auf erbrechtliche Mandate spezialisierten Kanzlei arbeiten, bevor sie sich dann gegebenfalls selbständig machen. An Soft Skills bedarf es der Fähigkeit, auf Mandanten nicht nur im juristischen, sondern auch in persönlichen Dingen eingehen zu können. Dabei ist es wichtig, nicht immer die Sprache des Juristen zu sprechen, sondern die des Mandanten.

Jan Bittler  ist Fachanwalt für Erbrecht in Heideberg und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.


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