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Female Leadership

Frauen an der Spitze! Wie die Frauenquote in Deutschland vorankommt, oder auch nicht. Was zu tun ist, damit mehr Frauen in der Führungsetage ankommen. Drei krasse Geschäftsführerinnen und ihre Sichtweise auf die Thematik.

Dass es Frauen in Führungspostionen nicht gerade einfach haben, geschweigedenn auf dem Weg dorthin, ist ein immer wiederkehrendes Thema mit dem Überbegriff – Frauenquote. Zwar gibt es seit 2015 Gesetze, die die Gleichstellung von Führungskräften regulieren sollen, aber dies gilt nur für die 160 großen DAX-Konzerne. Hier hat sich, wenn auch pflichtweise, einiges getan. Aber seit letztem Jahr sind die Zahlen wieder rückläufig und von einer Frauenquote in mittelständischen Unternehmen lässt sich momentan nur träumen. Frauen sind nach wie vor in Führungspostionen unterrepräsentiert, was durchaus ein strukturelles Problem ist.  Oder weshalb gibt es immer noch mehr Christians im Vorstandsvorsitz der Börsenkonzerne, als alle weiblichen CEOs  davon insgesamt?

Rede und Antwort stellen sich Mimi Sewalski, die Geschäftsführerin des Avocadostores und die Entwicklerinnen der ooia Periodenunterwäsche, Kati Ernst und Kristine Zeller.

 

Immer diese Stereotypen

Eines ist klar, hinter diesen vermeintlichen Unterschieden der Führungsstile stecken ganz schön viele Klischees und Vorurteile. Dabei sind sich auch Kati, Kristine und Mimi einig. Hier geht es vor allem um Eigenschaften, die irgendwann mal zu »typisch männlich« oder »typisch weiblich« erklärt wurden – zum Beispiel, dass Frauen besonders empathisch handeln und Männer vergleichsweise zielorientierter arbeiten. Diese Geschlechterkonnotationen gilt es aufzubrechen und zu vermischen. »Als Chefin habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, immer den Menschen vor mir zu sehen, unabhängig vom Geschlecht. Ich glaube, das ist der erste Schritt, um aus den Klischees herauszukommen«, sagt Mimi über ihren eigenen Führungsstil. Wenn es also keine Unterschiede im Führungsstil gibt, wieso sind dann komischerweise immer noch die Frauen unterrepäsentiert?

Chances are …

… dass möglichst diverse Teams deutlich erfolgreicher und glücklicher sind als homogene. Aus unternehmerischer Sicht also ganz schön unprofitabel, wenn nur ein Geschlecht in der Führungsetage vertreten ist. Ein vielfältiges Team schafft neue Blickwinkel und Lösungsansätze. »Zum Beispiel die Diversität von Arbeitsmodellen«, meinen die ooia Entwicklerinnen. »Auch heute ist es ja noch so, dass Frauen hauptsächlich die Care Arbeit übernehmen, und daher bessere Einsichten in die Bedürfnisse von Frauen haben, die Familie und Beruf parallel managen möchten.«

Frauen an die Macht! Aber wie?

»Ein Grund, warum viele Frauen Führungspositionen ablehnen, ist die schlechte Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf«, erklärt auch die Soziologin Mimi Sewalski. Zusätzlich spielt hier auch die Vorbildfunktion von bestehenden Führungskräften eine maßgebliche Rolle. Sei es in der Form, wie neue Wege und Umgebungen für Angestellte vorgelebt oder geschaffen werden – beispielsweise, dass auch die männlichen Geschäftsführer selbstverständlich in Elternzeit gehen und dass dies an die Arbeitnehmer weitergetragen wird. Einen weiteren Punkt, hinsichtlich Vorbild sein, sprechen Kristine und Kati an: »Quoten können in diesem Kontext zwei Rollen haben, erstens um in besonders resistenten Bereichen Führungskräfte dazu zu bringen, gezielt auf Frauen zu gucken und zweitens, um direkt von vornherein mehr Frauen in obere Etagen hineinzubefördern, damit sie als Vorbild dienen können für die Frauen, die in unserer Position sind.«

Wo besteht konkret Handlungsbedarf?

Wer sieht sich nun in der Verantwortung, das System umzukrempeln? Frauen allein schaffen das nicht. Klar, das Gleichstellungsgesetz der Bundesregierung hat Unternehmen dazu verpflichtet, dass Frauen und Männer (angeblich) eine Chancengleichheit haben, um in Führungspositionen zu gelangen. Das ist aber nach wie vor erst die halbe Miete. Vor allem weil vergleichbare  Regelungen noch nicht für den Mittelstand existieren.

»Oft ist es ja so, dass Frauen für Frauenrechte kämpfen, was wir aber brauchen, sind Männer, die für neue Modelle kämpfen«, betont die Geschäftsführerin des Avocadostore. »Letztendlich haben sie ja auch etwas davon, zum Beispiel könnte das ein Weg sein, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.« Hierbei geht es  wieder um eine positive Vorbildfunktion, die männliche Chefs einnehmen sollten. Weg von stereotypischen Rollenbildern und hin zur gleichmäßigen Chancenverteilung. Stichwort hierbei »Gender-Care-Gap«. Frauen übernehmen immer noch viel mehr unbezahlte Care-Arbeit im Haushalt als Männer und das bei einer vergleichbaren Arbeitsstelle. Ein Beispiel, das die Problematik verdeutlicht, bezieht sich auf das Thema Elternzeit. Männern wird mitgeteilt, dass sie nur wenig bis keine Elternzeit nehmen dürfen, damit sie eine Führungsposition überhaupt erst erhalten. »Deswegen bin ich dankbar für jeden Mann, der länger als ein paar Monate Elternzeit nimmt, weil das langfristig eben auch zeigt, dass nicht nur Frauen für die Care-Arbeit zuständig sind, sondern dass Eltern Eltern sind und sich Verantwortung teilen«, stellt Sewalski klar. Patriarchale Strukturen gilt es nach wie vor zu durchbrechen und da reicht es nun mal nicht, wenn nur Frauen auf das Problem aufmerksam machen. Das verdeutlichen auch die Erkenntnisse aus der neuesten Allbright Stiftung. Hier heißt es: »Dass Deutschland im internationalen Vergleich so hinterherhinkt, liegt auch an Versäumnissen in der Politik. Viele Frauen arbeiten unter ihrem Niveau oder in geringer Teilzeit, weil sie Sorge haben, dass sich eine Führungsposition nicht mit einem gelungenen Familienleben vereinbaren lässt.«

Erfahrungsberichte aus erster Hand

Die ooia-Entwicklerinnen sprechen ganz offen über ihre eigenen Erfahrungen: »Wir waren häufig die einzige Frau im Raum oder bei gewissen Entscheidungen – dieses hat uns sicherlich geprägt.« Deshalb möchten sie andere Frauen damit stärken. »Genau deshalb setzen wir uns ja jetzt dafür ein, präsent zu sein, zum Beispiel an Universitäten oder bei Vorträgen, damit Frauen eben sehen, wie wir den Weg gemeistert haben und vor allen Dingen das Thema Familie und Unternehmertum in Einklang bekommen.«

Auch Mimi Sewalski hat schon einige Diskrepanzen erlebt, vor allem je höher die berufliche Postion wird. »Mir wurde zum Beispiel von Vorgesetzten schon gespiegelt, ich würde zu emotional sein. Heute weiß ich, dass es wichtig ist, sich als Führungskraft zu trauen, in den eigenen Stärken zu arbeiten. Gottseidank bin ich eine emotionale Chefin, ich habe Empathie für meine Kolleg:innen.«

Einen Rat für die Karriereplanung – Female Edition

Kati und Kristine haben gleich drei. Erstens: Such dir früh Mentoren oder Mentorinnen, die dich unterstützen. Zweitens: Such dir gleichgesinnte Menschen in ähnlichen Situationen und tauscht euch aus. Drittens: Augen auf bei der Partner- oder Partnerinnenwahl. Sucht Personen, die ähnliche Vorstellungen haben und mit denen ihr gleichberechtigt ein Leben führen könnt.

Mimi rät, dass gerade persönliche Stärken in den Fokus gerückt werden sollen. Frauen orientieren sich oft defizitär und bilden sich vielseitig weiter, weil sie denken, nicht gut genug zu sein. Lieber direkt bei den Stärken ansetzen und dort, wo es einem Spaß macht. »The brain runs on fun – ich bin davon überzeugt, dass wir am besten arbeiten, wenn wir uns in der Tätigkeit wohlfühlen und das sind eben oft eher unsere Stärken als unsere Schwächen.«

 

Kati Ernst und Kristine Zeller

sind die Entwicklerinnen der nachhaltigen ooia Periodenunterwäsche, des Moms Still BH und Gründerinnen der ooshi GmbH. Kathi ist promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin mit Schwerpunkt auf Soziales Unternehmertum. Sie hat über zehn Jahre als Beraterin in der Konsumgüterbranche gearbeitet, bis sie nach der Geburt ihres dritten Kindes zusammen mit Kristine ooia gegründet hat. Kristine hat Textilbetriebswirtschaft studiert und mehrere Jahre in der Textilindustrie verschiedene Leitungspositionen inne gehabt. Die zweifache Mama hat zuvor bei dem Versandhandel Zalando gearbeitet.

Mimi Sewalski

ist seit 2013 Geschäftsführerin des Avocadostore. Studiert hat sie Soziologie und Kriminologie und stieß über eine ehrenamtliche Tätigkeit in die Gründungsphase des Online-Stores dazu. Eigentlich wollte sie ursprünglich beim BKA durchstarten, merkte nach einem Auslandsaufenthalt jedoch, dass sie mit dem Bereich Markenaufbau viel mehr anfangen kann. Ein wichtiges Learning für sie war, »dass ich dann besonders gut bin, wenn meine Werte zu meiner Aufgabe passen.«


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