Bildrechte: John Deere

Automatisierung bei großen Maschinen

Der Große kann das ganz allein – Was funktioniert im Off-Highway-Sektor schon autonom?

 

Hamburg hat einen. Mannheim ebenfalls. Und sogar Bad Soden-Salmünster. Jede dieser Städte besitzt einen autonom fahrenden Bus. Immer öfter gibt es Projekte, die im normalen Straßenverkehr den Personentransport vollkommen ohne Fahrer testen. Mit dem Ziel, das menschliche Steuern bald komplett überflüssig zu machen, ist man in diesem Verkehrssektor auf einem guten Weg und auch beim autonomen PKW dürfte jeder ein Bild vor Augen haben. Im Gespräch über den Fortschritt des autonomen Fahrens wird gern über fortschrittliche Projekte wie diese philosophiert. Gern vergessen wird dabei, dass der Straßenverkehr noch aus einigem mehr besteht als PKW und Bussen. Unsere gesamte gesellschaftliche Infrastruktur wird von sogenannten Off-Highway-Maschinen geschultert – Fahrzeuge aus den Bereichen Landwirtschaft und Bau. Wieviel kriegen diese großen Jungs schon alleine hin, ohne dass ein Mensch im Führerhaus sitzt und was ist in der Entwicklung noch drin?

Kleiner Impuls, große Wirkung

Erst einmal ist festzuhalten, dass im Off-Highway-Sektor schon eine Menge automatisiert läuft – insbesondere in der Landwirtschaft. Das ist auch ganz gut so, denn laut Statistik des »Bundesinformationszentrums Landwirtschaft« aus dem Jahr 2020 werden Betriebe mit einer Größe von 100 Hektar und mehr immer zahlreicher, während gleichzeitig die menschlichen Arbeitskräfte weniger werden. Geschwindigkeits-, Lenk- und Fahrregler machen Off-Highway-Fahrzeuge bereits sicherer, komfortabler und effizienter. Einen der nächsten großen Schritte stellen die technischen Konzepte »steer-by-wire«, »drive-by-wire« und »break-by-wire« dar. Nur durch elektronische Impulse und ganz ohne Mechanik werden Lenk- und Bremsimpulse auf das Fahrzeug übertragen. Der Antriebs- und Fahrwerktechnik-Hersteller ZF setzt für 2023 einen großen Fokus auf diesen Komplex. Die steer-by-wire-Technologie sei »ein Durchbruch auf dem Weg zu vollständig selbstfahrenden PKW und LKW, indem sie neue Design- und Entwicklungsfreiheiten eröffnet«, sagt ZF-Vorstandsvorsitzender Wolf-Henning Scheider. Klar, dass auch Off-Highway-Maschinen davon profitieren werden. So kann ein Feld viel präziser bearbeitet werden. Auch die Konstruktion der Steuerkabine kann flexibler ausfallen, da es die Lenksäule nicht mehr braucht.

Mensch, mach Pause!

Gut und schön, aber wann fahren sie denn endlich von selbst? Ist das noch ein Zukunftstraum? Tatsächlich nicht, denn bereits heute gibt es Off-Highway-Maschinen, bei denen der »Fahrer« lediglich eine Überwachungsposition einnimmt. So hat der Landtechnikhersteller John Deere mit dem 8R Großtraktor ein vollständig autonomes Fahrzeug in den USA im Einsatz. »Der Bedarf ist vor allem in den industrialisierten Ländern riesig, um auf den zunehmenden Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft reagieren zu können«, erklärt Peter Koch von John Deere. »Gleichzeitig sind die autonomen Fahrzeuge ein wichtiger Schlüssel zur immer weiter fortschreitenden Präzisionslandwirtschaft, um auf den weltweit schrumpfenden Ackerflächen mit weniger Umweltbelastung die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern.«

Steine auf dem Acker?

In Deutschland ist man allerdings noch nicht ganz so weit. Nicht nur bräuchte es wirklich »5G an jeder Milchkanne«, auch die gesetzlichen Bestimmungen erschweren die Durchsetzung der kompletten Automation. Es tun sich im Falle von Off-Highway-Machinen aber auch andere Herausforderungen auf: »Landmaschinen sind beim Feldeinsatz widrigen Bedingungen wie Feuchte, Staub, Vibrationen oder ähnlichem ausgeliefert und ihre Zuverlässigkeit muss über viele Jahre gewährleistet sein«, erklärt Koch, »Traktoren haben eine komplexe Aufgabe auf dem Feld zu erledigen. Dabei sind sie nicht immer allein unterwegs. Sie müssen mit angehängten oder gezogenen Geräten kommunizieren, bei denen zum Beispiel die Arbeitstiefe oder Ausbringmenge von Saatgut automatisch gesteuert wird.« Es zeigt sich: Gerade hier muss die Kommunikation zwischen den einzelnen smarten Geräten funktionieren. Dadurch kann auch auf kleinem Raum die Kollision von großen Maschinen vermieden werden – das ist bei automatisierten Maschinen aus dem Bauwesen übrigens nicht anders. Damit das gelingt, braucht es Informatiker, die ihnen das Kommunizieren beibringen.

Ein weites Feld

Ganz grundlegend können sich IT-Experten aller Bereiche für die Automatisierung einsetzen, wie auch Peter Koch zu berichten weiß: »Gesucht werden neben Programmierer*innen und Data Scientists auch Telekommunikationsexperten, Hardware-Spezialisten, User-Interface-Designer*innen, KI-Profis und mehr.« Als Soft Skills nennt der Experte vor allem das Interesse an Innovation und neuen Technologien sowie die Lust, sich auch in äußerst komplexe Themen einzuarbeiten. Auch gutes Englisch ist Pflicht, da die Teams international zusammengesetzt sind. »Zu guter Letzt«, schließt Koch, »ist es aber auch der Wille, in einem Umfeld zu arbeiten, dass sich der Sicherung der Ernährung der Welt verschrieben sieht.«

 


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